Psychologielexikon

Abaelard

Abaelard, Peter, 1079-1142, berühmter französischer Lehrer, der für seinen Liberalismus, seine Redegewandtheit und seinen polemischen Stil bekannt war. Er befaßte sich vor allem mit logischen, ethischen sowie theologischen Grundfragen. Durch seine Kritik am Klerus stieß er immer wieder auf Widerstand der konservativen Gesellschaft. Seine tragische Beziehung zu Héloise gilt als eine der berühmtesten Liebesgeschichten überhaupt. Von Verbrechern gedemütigt und kastriert zog er sich als Mönch in ein Kloster zurück. Allerdings focht er auch von dort kirchliche Dogmen und den damaligen Zeitgeist heftig an, was die Verbrennung eines seiner Bücher, eine mit Schweigepflicht verbundene Arrestierung und die Verurteilung durch Papst Innozenz II zur Folge hatte. Abaelard begründete durch seine Kontrastierung von Glauben und Verstand eine neue Epoche der intensiven Auseinandersetzung: Neben den religiösen Schriften sei auch der menschliche Verstand ein Geschenk Gottes. Beide seien für die Auffindung der Wahrheit nützlich. Der Glaube müsse immer durch den Verstand untermauert werden, und letzterer ermögliche erst ein tieferes Verständnis der Schriften. Abaelard wandte bei seinen theologischen Ausführungen die dialektische Vorgehensweise an, indem er die zu klärende Fragestellung mit dem gegenteiligen Sachverhalt kontrastierte. Dies sollte bei seinen Zeitgenossen Unsicherheit bzw. Zweifel - was die Kirche als Sünde ansah - hervorrufen und dadurch ihre kritische Auseinandersetzung mit dem Thema fördern. Er vertrat die Ansicht, Zweifel führe über - auf dem von Gott gegebenen Verstand basierendes - Nachdenken zu einem intellektuell untermauerten, gestärkten Glauben. Durch die von ihm angestrebte Verknüpfung christlichen und griechischen Gedankenguts hat er an der Basis unseres heutigen Wissenschaftsverständnisses mitgewirkt.

Literatur:

Viney, W. & King, D.B. (1998). A history of psychology. Ideas and context (2nd ed.). Needham Heights: Allyn and Bacon.