Abraham, Karl, 1877-1925, wurde als hervorragender medizinischer Experimentator und Schüler Bleulers ab 1904 von Jung in Freuds Gedankengut eingeführt und wurde einer seiner engsten Mitarbeiter. Nach dem ersten Treffen mit Freud und seinem Kreis (1907) führten ihn Differenzen mit Jung allerdings bald nach Berlin. Abraham gilt als der erste deutsche praktizierende Psychoanalytiker und gründete 1910 die Berliner Psychoanalytische Gesellschaft. Der Gründung einer Poliklinik unter Leitung Abrahams verdankt Berlin den Ruf einer analytischen Hochburg, zumal dort eine Reihe von Analytikern der Zweiten Generation ausgebildet wurden. Abraham widmete sich - zusammen mit Ferenczi und scharf kritisiert von Freud - der Traumatisierung sexuell mißhandelter Kinder (sexueller Mißbrauch) und wies darauf hin, psychisch auffällige Patienten seien häufig Mißbrauchsopfer. Er ist für seine sehr genaue Beobachtung kranker Menschen und die Abfassung detaillierter Krankengeschichten bekannt. Außerdem befaßte sich Abraham mit der Libidotheorie, dem weiblichen Kastrationskomplex sowie Studien zur Charakterbildung (Charakter) und analysierte als früher Verfechter einer transkulturellen Psychologie Mythen bzw. Rituale verschiedener Völker (Interkulturelle Psychologie). So brachte er die Ausgrenzung von Menschen aus kulturellen Gruppen mit der tiefenpsychologischen Entwicklungslehre in Verbindung.
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