Bewegungssteuerung, wird durch den Tatbestand erforderlich, daß die physikalischen Eigenschaften bewegter Körperglieder und damit die bei der Bewegungssteuerung zu invertierenden Transformationen variabel sind, und zwar sowohl kurzfristig wie auch mittel- und längerfristig: Körperglieder wachsen, Muskeln ermüden, bewegte Objekte haben verschiedene Massen, die Richtung von Bewegungen relativ zur Schwerkraft variiert. Die Variabilität dieser Bedingungen erfordert einen hohen Grad von Anpassungsfähigkeit oder Plastizität menschlicher Bewegungssteuerung, der tatsächlich existiert.
Bewegungen in Richtung der Schwerkraft und in Gegenrichtung haben praktisch identische Verläufe; die Muster der Muskelaktivität sind natürlich verschieden, da ja die Muskelkräfte in beiden Fällen unterschiedlich sein müssen. Wahrscheinlich erfolgen die erforderlichen Anpassungen bereits bei der Planung der Bewegung und nicht erst bei der Ausführung. Entsprechende antizipatorische Anpassungen lassen sich auch dann beobachten, wenn unterschiedliche Massen bewegt werden, vorausgesetzt, sie sind bekannt. In diesem Fall erfolgt die Anpassung an die Massen nur teilweise über eine entsprechende Änderung der Kräfte, teilweise aber auch über eine zeitliche Dehnung (bei größeren Massen) oder zeitliche Stauchung (bei kleineren Massen) der Bewegung. Wenn die bewegte Masse unerwartet klein oder groß ist, wird die dann inadäquate antizipatorische Anpassung noch während der Bewegung korrigiert. Nach wenigen Bewegungen, manchmal schon bei der zweiten Bewegung, ist die Voreinstellung an die neue Masse angepaßt. Für die Voreinstellung spielt die visuelle Information eine wichtige Rolle, wie man im Alltag beobachten kann und wie es offenbar zu unserem Alltagswissen gehört: wenn eine Person einer anderen ein Objekt gibt, ist das oft mit einer Warnung verbunden, sofern das Objekt für sein Aussehen zu schwer ist.
Langsamere Anpassungen der Bewegungssteuerung lassen sich beobachten, wenn die visu-motorischen Beziehungen verändert werden, beispielsweise mit Hilfe von Brillen, die die gesehenen Objekte relativ zum Beobachter seitlich verschieben oder auch oben und unten vertauschen (Umkehrbrillen). Unter diesen Bedingungen wird das Bewegungsmuster, das erforderlich ist, um ein gesehenes Ziel zu erreichen, mehr oder weniger stark verändert. Je nach Ausmaß dieser Veränderung kann die Anpassung Minuten oder Tage dauern, und nach Absetzen der Brille lassen sich mehr oder weniger schnell abklingende Nacheffekte beobachten (Psychomotorik) (Abb.).
Literatur
Smeets, J.B.H., Erkelens, C.J. & Denier van der Gon, J.J. (1995). Perturbations of fast goal-directed arm movements: Different behavior of early and late EMG responses. Journal of Motor Behavior, 27, 77-88.
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