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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Demagogie

Autor
Autor:
Werner Eberlein

eigentlich »Volksführung«, heute nur noch im Sinne von »Volksverführung«. Als klassisches Beispiel der demagogischen Rede gilt die Ansprache, die Shakespeare dem Marc Anton beim Begräbnis des Julius Caesar in den Mund legt. Da wird anfangs der Stimmung des Volkes gegen den getöteten Führer Rechnung getragen, um die vorgefaßte Einstellung allmählich in ihr Gegenteil zu verkehren. Dabei spielt die Herausforderung von Gefühlen eine entscheidende Rolle. Es wird an die Liebe erinnert, die Caesar für das Volk gehegt habe. Der Haß, den seine Mörder gegen ihn entfacht hatten, wird nun gegen die Mörder selbst umgelenkt. Alle großen Demagogen sprechen die Angst an, die Bedrohung durch Feinde, das Gefühl der Verlassenheit im Angesicht von Gefahren, und treiben die Zuhörer so zur Bereitschaft, die Verheißung aufzunehmen, die der Verführer an die Unterordnung knüpft, wie er sie empfiehlt. Die seelische Umstimmung, die der Demagoge bewirkt, entspricht dem Prozeß jeder Bekehrung (Konversion) bis hin zur »Gehirnwäsche«. Die Unsicherheit wird geschürt, Liebe und Führung werden um den Preis des Gehorsams angeboten, und die Haßgefühle auf wirkliche oder vermeintliche Feinde gelenkt, die zugleich als Sündenböcke für alle Übel hingestellt werden. Wie Shakespeares »Marc Anton« muß jeder Demagoge zunächst genau auf die Stimmung der Zuhörerschaft hinhören und sie aufnehmen. Hitler begann nahezu jede Rede mit immer gleichen Formeln und gewann so die Zeit, die er brauchte, um den Kontakt zu der Masse herzustellen, die er jeweils verführen wollte.

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