thematisiert den sozialen Herstellungsprozeß jener Bilder und Konzepte, mit denen Menschen sich eine Vorstellung von ihrer Wirklichkeit und von sich selbst machen. Wie aber werden diese Selbst-Bilder hergestellt? Die Narrative Psychologie sieht den Menschen als Geschichtenerzähler: Er entwirft sich in seinen Narrationen. Identität könnte man als erzählende Antworten auf die Frage "Wer bin ich?" verstehen. In diesen Antworten wird subjektiver Sinn in bezug auf die eigene Person konstruiert (Konstruktivismus). Doch sind Menschen nicht nur Autoren und Autorinnen ihrer Erzählungen, sondern sie finden kulturelle Texte immer schon vor Lebensskripte, in denen sie ihre persönlichen Erzählungen unterbringen. Philosophie, Religion (Religionspsychologie) und Mythos bestehen aus Meta-Erzählungen, in denen sich eine Kultur gemeinsame Sinnstrukturen schafft, in die wiederum einzelne Subjekte ihre Selbstnarrationen einbetten können. Schon die Völkerpsychologie hat diesen Zusammenhang thematisiert.
Der zunehmende Verlust solcher kultureller Hintergrunderzählungen erzeugt die Notwendigkeit, daß sich Subjekte ihre eigenen Erzählfäden schaffen, um in einer überkomplexen Welt für sich selber eine verläßliche Basis von Selbstverständlichkeiten zu schaffen. Die Idee einer narrativen Identität erhält sicherlich Auftrieb durch die gesellschaftliche Dekonstruktion traditioneller Identitäten. Fragmentierte Identitätsbausteine müssen von den Subjekten in kohärenten Erzählmustern stimmig gemacht werden.
Literatur
Kraus, W. (1996). Das erzählte Selbst. Die narrative Konstruktion von Identität in der Spätmoderne. Pfaffenweiler: Centaurus.
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