eine neuere theoretische Richtung, die Narrationen als grundlegend für die menschliche Erfahrungsorganisation ansieht. Vertreter sind u.a. Jerome Bruner, Kenneth Gergen und Theodore Sarbin. Ausgangspunkt ist die alltagspraktische Erkenntnis, daß Menschen einen großen Teil ihrer Erfahrungen in Geschichten verwandeln und in Form von (Alltags-) Erzählungen kommunizieren. Erzählungen stellen einen Zusammenhang zwischen punktuellen Ereignissen über eine Zeitachse her. Mit dieser inhaltlichen Verknüpfung wird dem Geschehen Sinn und Bedeutung verliehen. Auch über Einstellungen und Werthaltungen verständigen sich Menschen im Alltag in Form von Geschichten. Mit Hilfe der Geschichten, die Menschen im Kopf haben und die sie im Lichte neuer Erfahrungen immer wieder neu (re-)konstruieren, reflektieren sie ihre Stellung in der sozialen Welt und bilden damit schließlich ihre Ich-Identität (Identität) aus.
Die alltagspraktische Bedeutung von Erzählungen kann an dem von Danto 1974 ursprünglich für die Geschichtswissenschaften entwickelten Modell der narrativen Erklärung veranschaulicht werden. Wenn eine Veränderung zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t3 nur mit Hilfe einer Erzählung dessen, was sich zwischen t1 und t3 zugetragen hat, sinnvoll erklärt werden kann, handelt es sich um eine narrative Erklärung. Es gibt eine Reihe von bedeutsamen Lebensereignissen, die sich weder kausal noch teleologisch, sondern nur narrativ erklären lassen. Empirisch umgesetzt wird die narrative Psychologie v.a. in der Biographieforschung.
Literatur
Bruner, J. (1997). Sinn, Kultur und Ich-Identität. Zur Kulturpsychologie des Sinns. Heidelberg: Auer (amerik. Originalausg. 1990).
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