Sammelbegriff für unterschiedliche erkenntnistheoretische Konzepte, die davon ausgehen, daß Menschen mit ihren Wahrnehmungen die Welt nicht einfach "abbilden" können, sondern sie erst "konstruieren". Die heute diskutierten konstruktivistischen Positionen entstanden in den 60er und 70er Jahren, gehen philosophiegeschichtlich aber bis auf Vico und Kant zurück:
Der Erlanger Konstruktivismus in der Folge von Kamlah und Lorenzen ist eine wissenschaftstheoretische Richtung mit dem Ziel, ausgehend von der elementaren Lebenspraxis einen zirkelfreien Aufbau der Wissenschaftssprachen zu leisten.
Der Soziale Konstruktivismus in der Folge von Berger und Luckmann untersucht, wie soziale Ordnungen, die dem einzelnen als gesellschaftliche Wirklichkeit gegenübertreten, kollektiv - vor allem über sprachliche Mittel - produziert werden. Grundannahme ist, daß in verschiedenen Diskursgemeinschaften Institutionalisierungs-, Objektivierungs- und Legitimationsprozesse in Gang gesetzt, aufrechterhalten und verändert werden.
Der Radikale Konstruktivismus ist kognitionspsychologisch (von Glasersfeld) und neurobiologisch (Maturana und Varela) begründet. Er untersucht intrapsychische, kognitive Prozesse als Quelle der Wirklichkeitskonstruktionen und postuliert das Prinzip der "Autopoiese": Lebende Systeme werden als sich selbst erzeugende und sich von der Umgebung abgrenzende Einheiten aufgefaßt. Information wird nicht passiv aufgenommen, sondern wirkt als "Störung" des Systems, wobei die Wirkungsweise vom aktuellen Zustand des Systems abhängt. Deshalb ist auch keine direkt kontrollierbare Beeinflussung von außen möglich. Der Begriff der Wahrheit wird im Radikalen Konstruktivismus ersetzt durch den Begriff der "Viabilität", d.h. der Zweckdienlichkeit oder "Gangbarkeit".
Verwandte Denkrichtungen stellen die Kybernetik (von Foerster), die Systemtheorie (Luhmann), die Chaostheorie (Haken), die Kommunikationstheorie (Watzlawik) sowie die Postmoderne dar.
Literatur
Glasersfeld, E. von (1997). Radikaler Konstruktivismus. Ideen, Ergebnisse, Probleme. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
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