läßt sich unterscheiden nach Gebiet und Fach. Das Gebiet Psychologie, also das, was eine Systematik nach jeweiligem Gegenstand zu einer Wissenschaft zusammenfassen könnte, ist erheblich umfangreicher als das heutige Fach (Disziplin) Psychologie, also das, was unter dieser Bezeichnung erforscht, gelehrt und praktiziert wird. Während viele Themen der Psychologie schon in der Antike behandelt wurden, entstand erst in der Neuzeit die Auffassung, diese Themen besäßen Gemeinsamkeiten, die sie von anderen Wissenschaften trennen. Die Idee eines zusammenhängenden Wissenschaftsgebietes Psychologie kam auf. Es wurde universitärer Lehrgegenstand. Alle vier traditionellen Fakultäten der europäischen Universität befassen sich mit dem Menschen, seinem Erleben und Verhalten, die 1) Theologische in seiner Beziehung zu einer übergeordneten Macht, die 2) Juristische in der Beziehung zu anderen Menschen, die 3) Medizinische in der Beziehung zu seiner stofflich-biologischen Basis, die 4) Philosophische Fakultät in vielerlei Hinsicht. Theologische, juristische und medizinische Fakultäten sind erkennbar durch ihre spezifischen Berufsausbildungen geprägt. Dagegen behandelte die Philosophische Fakultät über Jahrhunderte propädeutisch die Stoffe, die Voraussetzung des Studiums in den höheren Fakultäten und damit einer akademischen Berufsausbildung waren. Weil es keine geregelten Reifezeugnisse gab, hatte die Universität die Propädeutik selbst zu erledigen. In der propädeutischen Fakultät wurde die neuzeitliche Psychologie angesiedelt, ohne zunächst eine spezifische Funktion zu erfüllen.
1) Die Einrichtung eines Faches Psychologie als Ausbildungs-Hilfsfach: Diese Lage änderte sich in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch die staatlichen Reformen des Schul- und Universitätswesens. Gymnasien übernahmen die Propädeutik, die Gymnasialabschlüsse wurden standardisiert. Dies verlangte eine geregelte Ausbildung der Gymnasiallehrer. Die philosophische Fakultät verlor zwar die Rolle als Propädeutikum, gewann aber den Rang einer berufsbildenden Fakultät, indem sie diese Lehrerausbildung übernahm. Das verlangte auch, lehrtechnisches Wissen zu unterrichten. Dies übernahm in der Regel ein Lehrstuhl, der für Philosophie, Psychologie und Pädagogik bestimmt wurde. Denn pädagogische Pflichtvorlesungen sollen prozedurales Wissen vermitteln, und Psychologie empfahl sich als wissenschaftliches Fundament der Pädagogik. Damit wurde Psychologie ein Fach, das Lehrstühle partiell definierte, daher als Abteilung der Philosophie galt, in einer Berufsausbildung die Rolle einer Hilfswissenschaft zu erfüllen hatte und auch abgeprüft wurde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde, bedingt durch drastische Unterschiede im Finanzbedarf, die überkommene Philosophische Fakultät zerteilt in eine Mathematisch-naturwissenschaftliche und eine Philosophisch-historische, die den traditionellen Namen und auch die Psychologie als Teilfach der Philosophie behielt. Da sich das Fach um 1900 in vielen Staaten Laboratorien zugelegt hatte, erzeugte der nach Maßstäben der Philosophischen Fakultät sehr beträchtliche Finanzbedarf erhöhten Rechtfertigungsdruck. Fachvertreter proklamierten daher Anwendungsmöglichkeiten der Psychologie in diversen Berufsfeldern und offerierten sie als Hilfsdisziplin für die Berufe der juristischen und medizinischen Fakultäten, aber auch der technischen und kaufmännischen Hochschulen.
2) Die Einrichtung eines Ausbildungshauptfaches Psychologie: Durch den militärischen Einsatz der Eignungsdiagnostik im 2. Weltkrieg, die bereits im 1. Weltkrieg ihren Nutzen nachgewiesen hatte, und weiterer psychologisch begründeter Methoden entstand in den kriegführenden Staaten eine Bewegung zu einer eigenständigen Profession hauptfächlich ausgebildeter Psychologen. Die Einführung der Diplom-Prüfungsordnung im Deutschen Reich 1941 zeigte diese Entwicklung in prägnanter Form (Nazi-Psychologie). In anderen Staaten verlief diese Veränderung mal weniger, mal noch stärker sprunghaft. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich weltweit ein Fach Psychologie etabliert, das Fachleute einer eigenen Profession ausbildet (Professionalisierung).
Die Erfordernisse dieser Berufsausbildung veränderten das Fach in Lehre und Forschung erheblich. Die Anbindung an die Philosophie wurde endgültig gekappt. Psychologische Schulen wurden dysfunktional und wichen einer Homogenisierung der Teilfächer. Prüfungsfächer und Anwendungsbereiche bestimmen Lehrstühle und Forschungsfelder. Die ältere Funktion der Psychologie als Hilfsdisziplin blieb allerdings bestehen und sorgt für eine beträchtliche Zahl Stellen in der Lehrerausbildung und darüber hinaus. Außerhalb des Faches Psychologie findet heutzutage wichtige Forschung zu psychologischen Gegenständen statt, ohne daß die Bezeichnung "Psychologie" verwendet würde, die immer mehr zum Eigentum des Faches und immer weniger des Gebietes wird. Die Auswirkungen auf das Fach sind nicht absehbar.
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