auch: Gegenseitigkeitsnorm, Regel der Gegenseitigkeit, kann als grundlegendes und kulturübergreifendes sozialpsychologisches Prinzip gelten. Demnach steht jeder Empfänger einer Gefälligkeit unter dem Druck, diese zu erwidern. Dabei muß die ursprüngliche Gefälligkeit, die es zu erwidern gilt, weder erbeten noch willkommen sein. Zudem besteht der Druck der Reziprozitätsnorm unabhängig von der Sympathie, die der Empfänger der Gefälligkeit der anderen Person entgegenbringt. In aller Regel wird bei der Erwiderung der Wert der ursprünglichen Gefälligkeit eher über- als unterschritten. So konnten zum Beispiel die Mitglieder der Hare-Krishna-Sekte dadurch die Motivation zum Spenden erhöhen, daß sie Passanten mit einem unerwarteten Geschenk überraschten (in der preiswertesten Version verschenkten sie eine Blume). Ein weiterer Anwendungsfall stellt die Gegenseitigkeit von Zugeständnissen in Verhandlungen dar. Das Abrücken von einer früheren Forderung wird wie eine Gefälligkeit gewertet und rechtfertigt die Erwartung, daß der Verhandlungspartner nun seinerseits Entgegenkommen zeigt (Tür-ins-Gesicht-Technik).
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