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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Selbstorganisation

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

1) ist ein universelles Prinzip der Natur, im anorganischen wie im organischen Bereich. Die Musterbildung in Kristallen, z.B. daß Schneekristalle immer in einem Winkel von 60°–30°-Wechsel alternativ angeordnet sind oder daß Metalle sich innerhalb spezifischer Gitterstrukturen aufbauen, sind Beispiele für Selbstorganisation im Anorganischen. Es sind Nahwirkungen oder autochthone Formen der Selbstorganisation. Zudem gibt es allochthone Formen der Selbstoganisation als Fernwirkungen – z.B. elektromagnetische Felder und ihre inneren Strukturen je nach gegebenen Randbedingungen bis hin zu den Magnetfeldern der Sonne. Die Gravitation ordnet Regelhaftigkeiten, die in den Umlaufzyklen der Planeten erkennbar werden. Höhere und komplexere Formen der Selbstorganisation gibt es auch im Biologischen. Wenn man in einem frühen Entwicklungsstadium ein befruchtetes Molchkeimei durchtrennt, dann entwickeln sich zwei etwas kleinere, aber voll ausgebildete Molche (Spemann-Experimente). Selbst das Verheilen von Wunden läßt Formen der Selbstorganisation erkennen. Und man hat im Rahmen der Genetikforschung sog. Organisatorgene gefunden. Sie sind nicht unmittelbar an der Ausbildung von Merkmalen beteiligt. Sie regeln vielmehr den Ablauf, in dessen Folge Gene aktiv werden und über Ketten von Eiweißsynthesen den Aufbau von Organen, von Gliedmaßen und schließlich auch des Gehirns steuern. Durch dessen Funktionen werden sie wiederum selbst erforscht. 2) ein Konzept, das in verschiedenen theoretischen Modellen eine wichtige Rolle spielt, insbesondere in der Systemtheorie, im Radikalen Konstruktivismus und in der Chaostheorie. Mit Hilfe dieses Konzeptes wird versucht, die autonome Bildung von Strukturen in physikalischen, biologischen, sozialen und kognitiven Prozeßabläufen zu beschreiben und zu erklären. Für die Selbstorganisation lebender Systeme wurde von Humberto Maturana der Begriff Autopoiese geprägt. Lebende Systeme, z.B. eine Zelle, sind nach Maturana sich selbst erzeugende Einheiten, die zwischen sich und ihrer Umgebung eine Grenze ausbilden und darauf ausgerichtet sind, sich selbst zu erhalten. Niklas Luhmann übernahm das Konzept der Autopoiese in seine Theorie sozialer Systeme. Während auf biologischer Ebene Autopoiese die Selbstreproduktion von Leben bedeutet, handelt es sich auf der sozialen Ebene um die Selbstreproduktion von Sinngeschehen.

Literatur

Maturana, H. R. & Varela, F. J. (1987). Der Baum der Erkenntnis. Bern: Scherz.


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