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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Geschlechtsidentität

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

auch: chromosomales Geschlecht, gender identity, bezeichnet die innere Überzeugung oder das Bewußtsein, einem Geschlecht anzugehören. Diese Überzeugung entwickelt sich bereits früh. Es wird davon ausgegangen, daß sich eine sog. Kerngeschlechtsidentität spätestens bis zum zweiten Lebensjahr herausgebildet hat. Bei der Entwicklung der Geschlechtsidentität spielen das chromosomale Geschlecht, die endokrine Ausstattung des Körpers, die Entwicklung innerer und äußerer Geschlechtsorgane, die geschlechtsspezifische Differenzierung des Gehirns und das sog. Zuweisungsgeschlecht eine Rolle. Untersuchungen von Kindern mit körperlich-sexuellen Fehlentwicklungen, bei denen Zuweisungen zum männlichen oder weiblichen Geschlecht möglich sind (sog. Intersexualität) deuten an, daß die Phase zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat für die Entwicklung der Geschlechtsidentität besonders kritisch ist. Die Studien zeigten die große Bedeutung des sozialen Umfelds für die Entwicklung der Geschlechtsidentität, indem die Zuweisung eines Geschlechts in dieser kritischen Phase unabhängig vom genetischen Geschlecht maßgeblich die Ausbildung der Geschlechtsidentität determiniert. Eine Geschlechtszuweisung nach der kritischen Phase scheint für die Betroffenen zu erheblichen Problemen zu führen.

Die erwähnten Studien machen somit deutlich, daß psychologische und sozial bedingte Identifikationsmechanismen die Bildung der Geschlechtsidentität letztlich maßgeblicher beeinflussen als körperliche (i. e. genetische und hormonelle) Faktoren, die bei normaler Entwicklung allerdings in der Regel das Zuweisungsgeschlecht festlegen. Den genannten Befunden entsprechend, haben sich verschiedene psychologische Theorien etabliert, die sich mit den psychosozialen Faktoren bei der Ausbildung der Geschlechtsidentität befassen. Diese Theorien heben die Bedeutung von Prägungen, anderen Lernprozessen und identifikatorischen Mechanismen hervor. Die Theorien bieten auch Modelle für die Entstehung von Störungen der Geschlechtsidentität im Kindes- und Jugendalter oder für geschlechtsatypisches Verhalten (Geschlechterkonstruktion, Sexualität, Transsexualismus, Feministische Psychologie).

Literatur

Bancroft, J. (1989). Human sexuality and its problems. Edinburgh: Churchill Livingstone.


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