eine Schulrichtung in der Psychoanalyse, läßt sich in ihren Anfängen bis auf Harry Stuck Sullivan (1892-1949) zurückverfolgen, der schon in den 30er Jahren für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Psychoanalytikern und Sozialwissenschaftlern plädierte und in seinen theoretischen Grundgedanken von dem Sozialphilosophen George Herbert Mead beeinflußt war. Die Erkenntnistheorie von Charles Sander Peirce, die pragmatische Philosophie von Richard Rorty und Charles Taylor, aber auch die sozialphilosophischen und soziologischen Theorien von Michel Foucault bilden den geistigen Hintergrund der modernen Interpersonellen Psychoanalyse. Ein führender Kopf dieses Ansatzes in der Gegenwart ist Stephen Mitchell; die von ihm herausgegebene psychoanalytische Fachzeitschrift trägt den bezeichnenden Titel Psychoanalytic Dialogues. Pointierter noch als in den diversen psychoanalytischen Objektbeziehungstheorien wird von den modernen Interpersonalisten herausgearbeitet, wie die Rede von einem abgegrenzten Ich oder Du eine theoretische Fiktion darstellt, immer noch eine Folge des cartesianischen Solipsismus, dessen einzige Gewißheit das einsam denkende und zweifelnde Ich ist, das sich in seiner binnenhaften Abgeschlossenheit nur durch komplizierte gedankliche Schlüsse der Anwesenheit seines Gegenübers versichern kann. Aber nicht das Ich ist das Uranfängliche und das einzig Gewisse, sondern die Intersubjektivität, die Perspektivenverschränkung zweier Subjekte, deren Erleben immer aufeinander bezogen ist. In Abwandlung des berühmten Freudschen Diktums: "Wo Es ist, soll Ich werden", heißt es bei den Interpersonalisten: "Wo Ich ist, soll Beziehung werden". Diese Sichtweise beinhaltet auch einen anderen erkenntnistheoretischen Umgang mit dem zu erforschenden anderen; während dieser in der cartesianischen Tradition immer Erkenntnisobjekt ist, muß der andere in der interpersonellen psychoanalytischen Theorie zu einem Subjekt werden. Als Subjekt besitzt er eine eigene ernstzunehmende Existenz, die nicht, wie z.B. in der positivistisch psychologischen Forschung, unter die vom Forscher vorab aufgestellten Definitionen und Erkenntniskategorien zu subsumieren ist, sondern nur in ihrer Subjekthaftigkeit, als Person in ihrem eigenen Recht, erforscht werden kann. Die Betonung des Beziehungsgesichtspunkts in der interpersonellen Psychoanalyse darf nicht übersehen lassen, daß Menschen sich nicht nur ständig in Beziehung erleben, sondern daß es auch ein Bedürfnis nach kreativem Alleinsein und nach konstruktiver Aggression und Exploration gibt, die nicht intersubjektiv vermittelt sind. Für den analytischen Prozeß ist wichtig, daß die forcierte Betonung von Konarration seitens des Analytikers nicht die Eigendynamik des Intrapsychischen beim Analysanden vernachlässigt.
Literatur
Mitchell, S. A. (1988). Relational concepts in psychoanalysis. An integration. Cambridge, Mass.: Harvard Universtiy Press.
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