Psychologie der menschlichen Fortpflanzung und deren Störungen. Dazu zählen die psychologischen Aspekte, die z.B. Kontrazeption, Blutungsstörungen, gewollte und ungewollte Kinderlosigkeit, (Mehrlings-) Schwangerschaft und Geburt, pränatale Diagnostik und Schwangerschaftsabbruch, Fehl-, Früh-, Totgeburten sowie das Klimakterium betreffen. Die frühe psychosomatische Forschung war auf die Identifizierung psychogener Faktoren bei Reproduktionsstörungen ausgerichtet, so daß z. B. ungewollte Kinderlosigkeit oder Fehlgeburten als unbewußte Abwehr der Frau gegen eine Schwangerschaft bzw. das Kind interpretiert wurden. Inzwischen besteht weitgehend der Konsens darüber, diesen Forschungsansatz nicht weiter zu verfolgen, da die aus Einzelfällen gewonnenen Aussagen in systematischen Studien nicht bestätigt werden konnten: Frauen und Männer mit Fertilitätsstörungen erscheinen aus psychologischer Sicht durchschnittlich nicht auffälliger als Paare ohne solche Störungen. Dies gilt auch für Paare mit idiopathischer Sterilität, für langfristig ungewollt kinderlos gebliebene Paare und für Kinder nach reproduktionsmedizinischen Maßnahmen sowie deren Eltern (mit der Ausnahme von Familien mit höhergradigen Mehrlingen). In den aktuellen Forschungsansätzen werden Fertilitätsstörungen als kritische Lebensereignisse betrachtet, die bei unzureichendem Coping gravierende psychologische Auswirkungen zur Folge haben können. Diese zeigen sich in erster Linie bei den betroffenen Frauen in Form von erhöhter Depressivität, Ängstlichkeit und Selbstwertzweifeln, während deren Partner eher unauffällig erscheinen. Diese Symptomatik verstärkt sich im allgemeinen im Verlauf einer erfolglosen reproduktionsmedizinischen Behandlung. Langfristig prognostisch günstig erscheint eine positive Neubewertung und Akzeptanz der Situation im Sinne einer kognitiven Umstrukturierung wie auch eine aktive Suche nach Alternativen und nach sozialen Kontakten.
Literatur
Brähler, E., Felder, H. & Strauß, B. (2000). (Hrsg.). Psychosoziale Aspekte der ungewollten Kinderlosigkeit. Jahrbuch der Medizinischen Psychologie Bd. 17, Göttingen: Hogrefe.
Neises, M. & Ditz, S. (2000). (Hrsg.). Psychosomatische Grundversorgung in der Frauenheilkunde. Stuttgart: Thieme.
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