ebenso seelisch wie körperlich bedingt, vor allem auf Krankheiten und eine entsprechende Behandlung bezogen. Die erste Einsicht in Krankheiten als Ergebnis eines Wechselspiels zwischen Körper und Seele stammt aus der Erforschung der Hysterie, die einen Umschlag (Konversion) seelischer Probleme in körperliche Symptome darstellt. Einen wesentlichen Schritt weiter ging Georg Groddeck (t 1934), der mit den Methoden der Psychoanalyse anscheinend rein körperliche Krankheiten zu »deuten« lernte. Er erkannte hinter dem Leiden einen unbewußten Krankheitswillen und konnte erleben, wie Patienten, die den seelischen Sinn ihres Leidens eingesehen hatten, auch die Krankheit selbst zu überwinden begannen. Groddeck sah alles persönliche Geschehen, auch das körperliche und also auch jede Krankheit, vom Es bestimmt, das er (anders als später Freud) als beinahe mystische Macht ansah. Er folgte weitgehend seiner Intuition, und seine Erfolge waren so stark an seine Ausstrahlungskraft, sein Charisma, gebunden, daß er ein Einzelgänger ohne Nachfolger blieb. Die Amerikanerin Flanders Dunbar hat dann den Zusammenhang zwischen der Disposition zu bestimmten körperlichen Krankheiten und lebensgeschichtlichen Ereignissen untersucht. Solche Beziehungen ergaben sich »besonders deutlich bei der Gruppe von Kranken, die an Störungen der Herzdurchblutung . . . und der am meisten gefürchteten Komplikation, dem Herzinfarkt litten«. Unter ihnen fanden sich vor allem »zielbewußte und strebsame Persönlichkeiten, die sich durch Beharrlichkeit und Selbstbeherrschung auszeichnen« (vgl. Manager). Franz Alexander geht nicht von den Charaktertypen aus, sondern von »spezifischen Konflikten«, die bei Menschen von sonst sehr verschiedenem Wesen gleich stark auftreten können und dann gleichartige Krankheiten auslösen. Ihm und seinen Mitarbeitern ist es bei 60-70% ihrer Patienten gelungen, einzig aus ihrer Lebensgeschichte, also ohne Kenntnis der körperlichen Symptome und ohne die Kranken selbst zu sehen, eine zutreffende Diagnose der zugehörigen Krankheit zu stellen. Damit erwies sich »die Bedeutung der Lebensgeschichte als Faktor, der eine bestimmte Krankheitsdisposition schafft« (Thore von Uexküll). In der Entstehungsgeschichte des Ulcus (Magengeschwür) erkannte Alexander als »Kernfaktor« die Versagung liebevoller Zuwendung. Neben den Herz und Magenkrankheiten sind es besonders die Hautkrankheiten, bei denen sich seelische Faktoren nachweisen lassen und Mittel der Psychotherapie wirksam werden. Solche Zusammenhänge waren schon lange bekannt, ehe sie die Wissenschaft ermittelte und in der Therapie ausnützte. Bei starken Gemütsbewegungen sagte man immer schon: »Das Herz schlägt mir bis zum Halse« oder »Das Herz bleibt mir stehen«. Vom Ehrgeizigen heißt es: »er frißt sich selbst auf«, was den wirklichen Befunden bei Magengeschwüren grob entspricht. Die Haut sieht man heute geradezu als »Projektionsfläche« an, auf der sich seelische Konflikte »abbilden«. Aber das wird eigentlich schon bei jedem Erröten klar. Die Statistik der Versicherungsunternehmen beweist, daß ein sehr hoher Prozentsatz aller Unfälle solchen Menschen zustößt, deren seelische Verfassung sie dazu geneigt macht, den Unfällern. Bei allen erkennbar von der Seele mitbewirkten Leiden ist die Beziehung zwischen Krankheit oder Unfall und Konflikt dem Betroffenen unbe wußt. Zur psychosomatischen Medizin gehört es, sie bewußt zu machen. Immer wieder stellt sich dabei heraus, daß sich in der Psyche solcher Kranken Konflikte zwischen verschiedenen Strebungen abspielen, etwa zwischen dem Ehrgeiz und dem Wunsch nach Geborgenheit. Wie in der Neurose wird die Lösung des Konfliktes mithilfe der Krankheit umgangen. Darüber hinaus wird ein »sekundärer Krankheitsgewinn« erzielt, da der Kranke die Schonung und Fürsorge durch seine Umwelt erzwingt. Die Bedeutung seelischer Faktoren zeigt sich auch am Zeitpunkt, in dem eine Krankheit auftritt. Im Kriege sind Soldaten im unmittelbaren Einsatz nur selten krank geworden; danach füllten sich dann plötzlich die Krankenreviere. Bekannt ist die Neigung zur Kränklichkeit unmittelbar nach dem Ende der Berufstätigkeit. Die klassische Hysterie ist nahezu verschwunden, seit Freud in ihr den Ausdruck sexueller Strebungen entschlüsselte. An ihre Stelle sind eben die psychosomatischen Krankheiten getreten, die ihren seelischen Hintergrund nicht so leicht verraten. Im Ersten Weltkrieg kam es häufig zu einer traumatischen Neurose, im Zweiten äußerte sich die Konfliktsituation der Soldaten vorwiegend in Magenkrankheiten. Hier haben also Erkenntnisse der psychologischen Medizin auf irgendeinem Wege die Formen der Krankheit verändert. Vielleicht der deutlichste Beweis für die psychosomatische Natur jeder Krankheit liegt in der seelischen Ein wirkung des Arztes auf seine Patienten. Man hat gesagt, der Arzt selbst sei sein bestes Medikament. Sein Verständnis, sein Zuspruch ist oft wichtiger als seine Rezepte. Die Kontrollversuche mit Placebos (Scheindrogen) zeigen, daß auch Pillen, Tränke und Spritzen oft mehr durch den Glauben an ihre Wirkung helfen als durch ihre Chemie. Dennoch setzt sich die Einsicht in die Bedeutung der seelischen Bedürfnisse und Konflikte für Krankheiten aller Art nur sehr allmählich durch. Die ärztliche Ausbildung bietet im allgemeinen kaum einen Ansatz zum Verständnis für die seelischen Hintergründe eines körperlichen Leidens. Es gibt im Verhältnis zu den psychisch mitbedingten Krankheiten bei weitem nicht genug ausgebildete Psychotherapeuten. Eine neue Verbindung zwischen somatischer und psychischer Behandlung geht auf Michael Balint zurück, einen Schüler des Freud-Vertrauten Sandor Ferenczy. In den sogenannten Balint-Gruppen arbeiten Psychoanalytiker mit praktischen Ärzten zusammen, beraten mit ihnen ihre Fälle und vermitteln ihnen Einblick in die seelischen Konflikte, die sich bei ihren Patienten mit der Krankheit äußern.
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