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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Risikoverhalten

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

Sammelbezeichnung für das Risiko als Gegenstand von Entscheidungen und Handlungen. Es lassen sich folgende Arten von Risikoverhalten unterscheiden: 1) Spielsituationen oder Wetten, 2) Situationen mit Geschicklichkeitsaufgaben und prämierten Erfolgs- oder Mißerfolgsbedingungen und finanziellem Gewinn, 3) Situationen, in denen ein richtiges oder falsches Urteil zu fällen ist (ohne oder mit Folgen für die Urteiler oder Beurteilten), 4) verbalisiertes Risikoverhalten bei beschriebenen Risikosituationen, 5) Situationen mit Gefährdungspotential. Angesichts erkannter oder bekannter Gefahren oder Risiken muß der Einzelne sich entscheiden, ob und in welchem Umfang er sich Gefahren aussetzt oder Risiken eingeht. Wer über ein Risikoniveau entscheiden muß, hat meist einen Konflikt zwischen Sicherheits- und Leistungstendenz zu lösen. Menschen unterscheiden sich dabei beträchtlich in ihrer Bereitschaft, Risiken zu übernehmen, so daß wir von Risikofreudigen und Risikomeidern sprechen können. Wie Ergebnisse der Risikoforschung zeigen, steigen generell die akzeptierten Risiken mit den Vorteilen an, die mit den jeweiligen Aktivitäten verbunden sind: Je mehr Vorteile eine Aktivität mit sich bringt, desto höher ist das Risiko, das bei deren Ausübung akzeptiert wird. Auch scheint bei gleichem Nutzen das akzeptierte Risiko für willentlich ausgeübte Aktivitäten höher zu sein als bei unfreiwillig durchgeführten oder erzwungen Aktivitäten. Gleiches gilt für kontrollierbare gegenüber unkontrollierbaren, bekannte gegenüber unbekannten, vertraute gegenüber neuen Tätigkeiten.

Selbst bei optimaler ergonomischer Gestaltung der Arbeit wird es immer wieder zu Unterbrechungen, Störfällen oder kritischen Situationen kommen, die vom Arbeitenden Entscheidungen außerhalb seiner Arbeitsroutine erfordern. Jede Entscheidungssituation birgt eine bestimmte Ungewissheit. Um diese auszuschalten, neigen wir dazu, Heuristiken (einfache kognitive Modelle, Faust- und Daumenregeln) anzuwenden, die uns eine zuverlässige Orientierung in der Umwelt erlauben sollen, indem wir das Eintreffen zukünftiger Ereignisse abschätzen. Heuristiken können als gedankliche Abkürzungswege durchaus zu angemessenen Urteilen, aber auch zum Unterschätzen von Gefahren und Risiken führen. So bieten Faustregeln v. a. dann, wenn z. B. Störungen und Defekte in technischen Anlagen auftreten, meist keine geeignete Basis mehr für die Fehlerdiagnose und Problemlösung und erweisen sich schnell als “unrealistischer Optimismus” und “illusionäre Gefahrenkontrolle”, wie sich bei ausführlichen Analysen von einzelnen Katastrophen immer wieder herausstellt.


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