die Vorliebe für bestimmte Geschlechtspartner (männliche, weibliche oder beide), eine wesentliche Konstituente der menschlichen Sexualität. Es ist davon auszugehen, daß die Mehrzahl der Menschen eine primär heterosexuelle, d.h. auf das andere Geschlecht gerichtete sexuelle Orientierung aufweist. Seit den Befragungen Kinseys deuten sexualwissenschaftliche Studien an, daß etwa 5% der Männer und etwa 3% der Frauen eine exklusiv gleichgeschlechtliche oder homosexuelle Orientierung aufweisen. Zwischen den beiden Formen von Orientierung gibt es unterschiedliche Nuancen der Vorliebe für beiderlei Geschlecht (Bisexualität). Obwohl in der frühen Psychoanalyse von einer bisexuellen Anlage des Menschen ausgegangen wurde, trug diese theoretische Orientierung maßgeblich dazu bei, alle nicht-heterosexuellen Orientierungen zu pathologisieren, die homosexuelle Objektwahl als Symbol einer schweren psychischen Störung zu charakterisieren. Erst 1973 wurde die Homosexualität gegen den Widerstand der Psychoanalyse als Diagnose aus den Krankheitsregistern verbannt und damit als Normvariante akzeptiert.
Am Beispiel der Homosexualität läßt sich die Bedeutung von Vorurteilen sexueller Minderheiten nachzeichnen, ebenso die Linien der wissenschaftlichen Hypothesen zur Entstehung und Entwicklung sexueller Orientierungen. Dabei spielen bis heute Versuche eine Rolle, die Entstehung der Homosexualität als Variante zu erklären, die durch körperliche, insbesondere genetische und frühe hormonelle, Einflüsse zustande kommt. In der psychoanalytischen Theorie wurden für die Entwicklung der heterosexuellen und homosexuellen Orientierung zunächst unterschiedliche Lösungen des Ödipus-Komplexes verantwortlich gemacht, später auch identifikatorische Prozesse in der frühesten Kindheitsentwicklung. Andere psychologische Richtungen betonen die Einflüsse des familiären und sozialen Umfelds und soziale Lernprozesse. Diese Theorien sind sicher auch bedeutsam zur Aufklärung der Tatsache, daß sich in der modernen Gesellschaft die strikten Trennungen zwischen verschiedenen sexuellen Orientierungen langsam beginnen aufzulösen.
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