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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Symbol

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

ein »Sinnzeichen«, dessen Bedeutung nicht immer offenkundig, manchmal sogar bewußt nicht bekannt ist. »Symbol« heißt eigentlich »zusammengeworfen«, und so decken viele Symbole mehrere Bedeutungen nebeneinander. Die Vieldeutigkeit der Symbole läßt sich oft verschwommen, vage, fast beliebig interpretierbar erscheinen. Der besondere Sinn, den sie jeweils haben, ergibt sich erst aus dem jeweiligen Zusammenhang. Manche Symbole werden künstlich geschaffen, wie etwa die Zeichen auf einem Bahnhof, die uns zur Gepäckaufgabe oder zum Taxistand führen. Symbole dieser Art sind oft unmittelbar einsichtig. Sie dienen der Verständigung auch über die Sprachgrenzen hinaus. Andere müssen erlernt werden, so etwa die Buchstaben der Schrift und die Zahlzeichen. Die Farbzeichen »Grün« und »Rot« zur Regelung des Verkehrs sind eines von vielen Beispielen dafür, daß auch noch die absichtliche Zuordnung von Symbolen zu einem praktischen Zweck auf uralten Gefühlsbeziehungen beruht, die man für gewöhnlich längst nicht mehr bedenkt. »Grün« symbolisierte stets die Hoffnung, »Rot« die Gefahr, und so >wählte< man zwangsläufig das eine als Zeichen für »freie Fahrt«, das andere für »Halt«. Die überkommenen Symbole hat man als eine Art Ursprache aufgefaßt. Wirklich sind viele von ihnen uralt und gelten in den unterschiedlichen Kulturräumen, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Obwohl der heutige Mensch den Sinn vieler dieser Symbole nicht mehr bewußt versteht, ist ihm in seinem unbewußten Seelenleben diese »Sprache« noch zugänglich. Das erwies sich zuerst in der Traumforschung Freuds. Während die meisten Elemente eines Traumes sich mit Hilfe der freien Assoziation des Träumers aufschlüsseln lassen, stellen sich zu den Symbolen darin keine Einfälle ein. Sie können nur als eine Kenntnis aus der Symbolsprache gedeutet werden, die sich außer in den Träumen auch in Mythen, Märchen, Volkssitten, Ritualen niedergeschlagen hat. Diese Symbole sind zum größten Teil ein gemeinsames Erbe der Menschheit und gehören, wie C. G. Jung es ausdrückte, zum »kollektiven Unbewußten«. In seiner Auffassung von den Archetypen als ursprünglichen Grundmustern des Lebens geht Jung noch weiter; er sieht in ihnen nicht nur Sinnbilder, sondern eine Art eigenständiger Kräfte, die uns leiten sollen. Die Sprache der Symbolik ist reich, aber sie umfaßt nur einige wenige Themen, so neben dem Tod vor allem den Bereich der Sexualität, Erotik und Liebe, Zeugung und Geburt, das Verhältnis zu den Eltern und den Geschwistern, den Körper und seine Teile, die Geschlechtsmerkmale und -organe. Die Beziehung zum eigenen wie zum anderen Geschlecht und die Geschlechtsakte werden hier auf die verschiedenste Weise angedeutet. So ist der Storch, der nach dem alten »Aufklärungs«-Märchen die Kinder bringen soll, wegen seines Schnabels und seines Bisses ein Sinnbild des Koitus, und der Teich, aus dem die Neugeborenen von ihm geholt werden sollen, steht für das Fruchtwasser, aus dem das Kind tatsächlich kommt. Die Brücke z. B. symbolisiert zunächst das männliche Glied, das beim Geschlechtsverkehr das Elternpaar miteinander verbindet, dann die Zeugung als Übergang vom Ungeborensein zum Leben und schließlich auch die Rücckehr in die »Mutter Erde«, in den Tod. Alle Glückssymbole haben zugleich eine sexuelle Bedeutung, ein Zeichen dafür, daß man in der Liebeserfüllung stets das größte Glück gesehen hat. Der Pilz steht wieder einmal für den Penis, das Schwein für reiche Fruchtbarkeit, und das vierblättrige Kleeblatt ist eine merkwürdige Tarnung für die ursprüngliche Dreiheit, nämlich der männlichen Geschlechtsausstattung. Der Schornsteinfeger, der durch die engen Kamine steigt und sie »fegt«, versinnbildlicht die Geschlechtsvereinigung. Zu den alten Symbolen treten ständig neue; so nahmen die Zigarre, der Luftballon und Flugzeug wie Auto eine phallische Bedeutung an. Daß eine Tasche zum Symbol der Vagina werden kann, wurde durch ein Experiment bewiesen: man gab einer Frau den hypnotischen Befehl, von einer lesbischen Beziehung zu träumen; und sie träumte von einer Reisetasche mit der Aufschrift »Nur für Damen«. Die Symbollehre Freuds, die vor allem von seinem später abtrünnigen Schüler Wilhelm Stekel ausgebaut wurde, trifft zwar immer noch auf Unglauben und Abwehr, aber heute wird sie in der kommerziellen Werbung bewußt und offenbar mit nachweislichem Erfolg ausgenutzt. So werben Zigarettenfirmen nicht mehr für die Qualität ihrer Marke, sondern für »Männlichkeit«, die sie mit Bildern mutiger Reiter symbolisieren. Die Tatsache, daß wir Symbole, zum Beispiel im Traum, sinnvoll benutzen, obwohl wir sie bewußt nicht mehr ohne weiteres verstehen, ist ein eindringlicher Beweis für die Existenz unbewußter Vorgänge und für deren Wichtigkeit, die erst die Tief enpsychologie erfassen kann.Zeichen für etwas; die Bedeutung des Symbols kann sozial vorgegeben sein (durch allgemeine Übereinkunft: bei den Symbolen für WC, Gepäckabgabe usw. an einem Großbahnhof) oder individuell erschlossen werden (Traum, Sexualsymbolik). In der Tiefenpsychologie hat Freud vor allem den Abwehr- und Maskierungscharakter von Symbolen beschrieben (ein körperliches Leiden symbolisiert einen abgewehrten sexuellen Wunsch; harmlose Gegenstände, die Sexualorgane symbolisieren, entstellen die wahre Bedeutung eines Traums). C. G. Jung hingegen betont den verbindenden Charakter von Symbolen, die geeignet sind, die Spaltung zwischen Primär- und Sekundärvorgang, zwischen bewußtem Ich und kollektivem Unbewußten zu überbrücken. Die von Jung vorgeschlagene engere Begriffsbestimmung des Symbols als Zeichen für etwas sonst nicht zu Erfassendes und Unbekanntes hat sich nicht durchgesetzt.

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