abnorme Persönlichkeit, ein in Zusammenhang mit Abnormität bzw. abnormem Verhaltenverwendeter sehr globaler Begriff, der durch mehrere eigenständige, für sich jeweils nicht umfassende Teildefinitionen beschrieben wurde. Unter dem Aspekt der statistischen Seltenheit liegt eine abnorme Persönlichkeit dann vor, wenn sie bzgl. der zugrundegelegten Verteilung der Merkmale in der Population (z.B. Normalverteilung) gravierend vom Durchschnitt abweicht, also zu den wenigen Extremen zählt. Das Kriterium der Seltenheit allein ist allerdings nicht hinreichend: Keineswegs alle selten auftretenden Persönlichkeitseigenschaften sind als abnorm einzustufen. Auch der Gesichtspunkt der Verletzung gesellschaftlicher Normen mit einem Bedrohungspotential für andere Individuen ist allein unzureichend und relativierend, da dadurch in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedliche Aspekte der abnormen Persönlichkeit tolerierbar werden. Einer weiteren ungenügenden Teildefinition zufolge bedingt die abnorme Persönlichkeit in zahlreichen Fällen eigenen Leidensdruck, aber eben bei weitem nicht in allen. Zudem sind Schilderungen bzw. Angaben zum Ausmaß des eigenen Leidens subjektiv und damit nicht ohne Weiteres vergleichbar.
Ferner kann die abnorme Persönlichkeit zu dysfunktionalem Verhalten bzw. der Nichterreichung eines angestrebten Ziels beitragen (z.B. soziale bzw. berufliche Probleme). Auch unerwartetes Verhalten kann durch sie ausgelöst werden, insbesondere, wenn die Person belastenden Bedingungen ausgesetzt ist: Die unerwarteten Handlungen sind häufig der Situation nicht angemessen. Erst die kombinative Anwendung aller genannten Aspekte kann zu einer einigermaßen befriedigenden Umschreibung des Begriffes abnorme Persönlichkeit führen. Die Klinische Psychologie faßt auf der Basis des Trait-Ansatzes eine heterogene Gruppe von Störungen, in deren Vordergrund schon länger bestehende, wenig flexible, unzureichend angepaßte Persönlichkeitsmerkmale stehen, als Persönlichkeitsstörungen zusammen. Diese früher als Charakterstörungen bezeichneten Störungsbilder sind durch einen beeinträchtigten Alltag gekennzeichnet, was die Betroffenen z.T. auch als emotional belastend erleben, ohne daß allerdings der Kontakt zur Realität verlorengeht.
Literatur
Davison, G.C. & Neale, J.M. (1996). Klinische Psychologie (4. Aufl.). Weinheim: Psychologie Verlags Union.
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