Ein Schüler ist hochbefriedigt über eine Drei, ein anderer bricht fast in Tränen aus. Diese unterschiedlichen Reaktionen auf eine gleiche Note weisen auf ein unterschiedliches Anspruchsniveau, auf verschiedene Erwartungen hin. In der Regel wird es sich so verhalten, daß der erste Schüler früher schlechtere Leistungen aufwies und also auch diesmal wieder erwartete. Mißerfolge senken, Erfolge steigern das Anspruchsniveau - eine in psychologischen Experimenten bestätigte Alltagserfahrung. Tiefenpsychologisch gesehen, hängt das Anspruchsniveau mit dem Über-Ich und dem Ich-Ideal (Ideal) zusammen, das heißt mit den verinnerlichten Leistungsforderungen der frühkindlichen Bezugspersonen. Ein zu hohes Anspruchsniveau in der Familientradition kann lähmend wirken. Familiensprüche wie «Wir Müllers haben immer hochbegabte Kinder oder völlige Versager» erweisen sich als sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Auf der anderen Seite verhindert kritikloses Anhimmeln aller Leistungen eines Kindes, daß dieses ein realitätsgerechtes Anspruchsniveau erreicht und lernt, sich wirklich anzustrengen.
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