der Eindruck, daß gewisse Lebensumstände unverständlich geworden sind, keine Beziehung zur eigenen Person mehr haben und keine gefühlsmäßige Einstellung zu ihnen erlauben. Der Begriff spielt in dem philosophischen Konzept Hegels und der politischen Analyse von Karl Marx eine große Rolle. Marx faßt die Entfremdung als Ergebnis der kapitalistischen Industrieproduktion auf. Er wies darauf hin, daß die Lohnarbeit dem Werktätigen auch das Produkt seiner Arbeit entfremdet, weil es nach der Fertigstellung nicht dem Produzenten, sondern dem Unternehmer gehört und dem Werktätigen erst als »Ware« wieder begegnet. Tatsächlich ist in der modernen Arbeitsteilung eine Beziehung zum Produkt der Arbeit kaum noch möglich. Der Beruf drückt nicht mehr die persönlichen Neigungen und Fähigkeiten aus, sondern wird zum auswechselbaren Job. Auch das Verhältnis zu den Arbeitskollegen oder zum Arbeitsraum ist weitgehend »mechanisch« bestimmt und gestattet keine gefühlsmäßige Anteilnahme. Es wird unmöglich, in der Erwerbstätigkeit sich selbst zu verwirklichen. Sogar die Freizeit wird mehr und mehr von außen bestimmt, etwa durch das Fernsehen oder durch Massenveranstaltungen wie Fußballspiele. Die ganze Umwelt mit ihrer Technik und ihren Organisationen wird undurchschaubar und wirkt fremd. Viele Menschen leben nicht mehr in gewachsenen Städten, die einen eigenen Charakter hätten, sondern in geschichtslos hochgetriebenen Vierteln mit gleichartigen Wohnmaschinen. Auch in diesem Bereich können Gefühlsbeziehungen nicht mehr angeknüpft werden. Mit dem Wort »Entfremdung« bezeichnet man auch die »Depersonalisation«, einen Zustand der Entrücktheit, der bei gewissen seelischen Krankheiten auftritt, zum Beispiel bei beginnender Schizophrenie. Dann werden die eigenen Handlungen wie die eines Fremden erlebt.
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