die Gewöhnung an Bedingungen, speziell die Gewöhnung an wiederkehrende sensorische Reize im Unterschied zu einer Akkommodation (z.B. Einstellung des Auges) oder Adaptation (langfristige, u.U. auch strukturelle und genetische Anpassung). Die Habituation ist kurzfristig und sie kann durch interferierende Reize und Prozesse unterbrochen werden (Dishabituation). Der Prozeß der Habituation wurde von Sokolov durch die Ausbildung eines neuronalen Modells, in welchem die Merkmale des Reizes repräsentiert sind, erklärt. Bei Wiederholung des Reizes verliert dieser an Neuigkeit, so dass die Orientierungsreaktion abnimmt und schließlich unterbleibt. In der Zwei-Prozeß-Theorie von Groves und Thompson wird der Habituationsverlauf dagegen aus dem Zusammenwirken der Sensibilisierung für die Reizaufnahme und des Habituationsprozesses, welcher die Reaktionen dämpft, erklärt. Die Habituation wird häufig in einem Paradigma mit 10 bis 15 akustischen Reizen anhand der hierfür gut geeigneten elektrodermalen Reaktion (elektrodermale Aktivität) gemessen. Die Habituation der Orientierungsreaktion wird durch eine Regressionsgerade anhand der Amplituden sukzessiver Orientierungsreaktion oder durch die Anzahl der Reize bis zum ersten Ausbleiben der Orientierungsreaktion (einer vorher festgelegten Mindestamplitude) definiert.
Die Habituation der Orientierungsreaktion kann wegen der notwendigen Ausbildung des neuronalen Modells als ein elementarer Lernprozess angesehen werden, der jedoch hinsichtlich Generalisierung auf Reiz- und Reaktionsseite, möglicher Fraktionierung der Reaktionskomponenten und unterschiedlicher Abklingkurven wesentliche interindividuelle Unterschiede aufweist. Das Habituationsparadigma wird in der psychophysiologischen Persönlichkeitsforschung (Psychophysiologie) und in der klinisch-psychologischen Forschung verwendet, um individuelle Unterschiede in der Reaktion auf neue Reize (Stärke der ersten Orientierungsreaktion) und in den zentralnervösen Gewöhnungs- (Hemmungs-) -Prozessen (Habituationstempo) zu messen.
Literatur
Boucsein, W. (1988). Elektrodermale Aktivität. Berlin: Springer.
Schandry, R. (1988). Lehrbuch der Psychophysiologie (2. Aufl.). Weinheim: Psychologie Verlags Union.
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