ästhetisches Objekt minderer Qualität. Angesichts typischer Kitsch-Objekte wie dem Gemälde mit "röhrendem Hirsch", der Postkarte mit Sonnenuntergang oder einem Plastikaschenbecher mit der Abbildung der Venus von Botticelli erscheint die Qualifizierung als Kitsch fraglos an Dingqualitäten gebunden zu sein. Diese Selbstverständlichkeit wird angesichts von Reproduktionen vormals avantgardistischer Kunstwerke als Kaufhausware für die gemütliche Wohnungseinrichtung problematisch. Moderne Kunst übernimmt hier die Funktion des röhrenden Hirschs oder der Fototapete. Das legt es nahe, Kitsch vom Erlebnis her zu definieren: Kitsch ist, was dem Bedürfnis nach problemlosem Wohlgefallen entgegenkommt. Die Übertreibungen und unangemessenen Verschönerungen der typischen Kitsch-Objekte stehen in dieser Sicht gleichrangig neben geschmackvollen Interieurs. Ein Kitsch-Erlebnis wird oft als "warmes Bad" oder das Objekt als "süßlich" umschrieben. Die unmittelbare und aufdringliche sinnliche Qualität der "niedrigen", d.h. intellektfernen Wahrnehmungsmodaltäten Schmecken und Fühlen wird zur Metapher für eine fragwürdige Fixierung aufs Genießen. In diesem Zusammenhang wird auch die Verwandtschaft von Kitsch und Pornographie namhaft gemacht. Das Vertraute ist geradezu ein Synonym für Kitsch. Zum Kriterium für Kunst wird komplementär ein Erlebnis von Befremdung. Dem entspricht eine Tendenz zur Intellektualisierung in der modernen Kunst, die von der sog. "Konzeptkunst" auf die Spitze getrieben wird. In einer merkwürdigen Dialektik können in diesem Kontext auch offensichtliche Kitsch-Objekte die Nobilitierung als Kunstwerk erhalten. Die Differenzierung von Kitsch und Kunst ist eher von sozialer als von wissenschaftlicher Bedeutung: Die Fähigkeit, Abstand von "bloßem" ästhetischem Genuß nehmen zu können, ist ein Statussymbol (Kunstpsychologie).
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