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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Pestalozzi

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

Johann Heinrich, 1746–1827, schweizerischer Pädagoge und Sozialreformer. Er studierte 1764 in Zürich zunächst Theologie, dann Rechtswissenschaften. 1769 gründete er das landwirtschaftliche Versuchsgut Neuhof im Kanton Aargau. Beeinflußt von den Gedanken des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau gestaltete er das Gut 1775 in eine Armenschule um. Fünf Jahre später mußte er diese aus Geldmangel schließen, und Pestalozzi widmete sich fürderhin der schriftlichen Niederlegung seiner Erziehungstheorien. 1798 gründete er ein Waisenhaus in Stans, 1799 eine Versuchsschule in Burgdorf und 1804 eine Heimschule in Yverdon. Diese Schule diente ihm über 20 Jahre lang zur Erprobung seiner pädagogischen Theorien. Konflikte mit den Mitarbeitern führten 1825 zur Auflösung der Schule und seiner Rückkehr nach Neuhof. Auch wenn Pestalozzi seine Erziehungsinstitute aufgrund mangelnder organisatorischer und geschäftlicher Begabung stets nicht lange halten konnte, so wurden seine Ideen für die Kindergarten- und Volksschulentwicklung in ganz Europa und Nordamerika von umwälzender Bedeutung. Er legte großen Wert auf die Entfaltung der in jedem Menschen angelegten positiven Kräfte, als deren Grundlage er u.a. die Familie ansah (Erziehungspsychologie). Für ihn beruhte Erziehung nicht auf Wissensanhäufung, sondern auf der Entwicklung von menschlichen Fähigkeiten im praktischen Umgang miteinander. Menschheitsgeschichtlich ging er von drei Entwicklungsstadien aus: dem Naturzustand, dem gesellschaftlichen und dem sittlichen Zustand. Diese drei Stufen soll auch jedes Individuum durchlaufen, ohne den vorigen Zustand hinter sich zu lassen, d.h., der Erwachsene ist zugleich Produkt der Natur, der Gesellschaft und seiner selbst. Aus dieser Gleichzeitigkeit können psychische Konflikte resultieren. Pestalozzi forderte außerdem als Sympathisant der Französischen Revolution Bildung unabhängig von Standesunterschieden und engagierte sich politisch und publizistisch für eine Liberalisierung in der Schweiz. Von Bedeutung für die Psychologie sind v.a. seine milieutheoretischen und entwicklungspsychologischen Überlegungen, die er in zahlreichen, zum Teil romanhaften, Schriften darlegte.


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