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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Rousseau

Autor
Autor:
Irene Roubicek-Solms

Jean-Jacques, 1712–1778, französisch-schweizerischer Philosoph und Schriftsteller, eine der zentralen Gestalten der Aufklärung, beeinflußte die Literatur, Philosophie, Pädagogik und Entwicklungspsychologie bis in das 20. Jahrhundert hinein. In Genf geboren und als Halbwaise bei Verwandten aufgewachsen, wurde er später Sekretär und Geliebter einer wohlhabenden, zum Katholizismus konvertierten Calvinistin, die auf Rousseaus Leben und Schreiben großen Einfluß ausübte und ihn veranlaßte, ebenfalls zum Katholizismus überzutreten. 1742 ging er nach Paris, wo er als Hauslehrer und Kopist von Partituren lebte. Dort lernte er den französischen Philosophen Denis Diderot kennen, für den er musiktheoretische Beiträge für die französische “Encyclopédie” verfaßte. 1756 verließ Rousseau Paris und zog sich in die Abgeschiedenheit von Montmorency zurück, wo er sich als Schriftsteller betätigte. Durch seinen einflußreichen Erziehungsroman “Émile ou de l’éducation” (1762, deutsch: “Emile oder über die Erziehung”) geriet Rousseau in Konflikt mit der französischen und schweizerischen Obrigkeit, woraufhin er 1762 zunächst nach Preußen und – auf Einladung von David Hume – nach England floh. 1768 kehrte er unter einem Decknamen nach Frankreich zurück.

Rousseau vertrat die Theorie, der Staat als politische Organisation beruhe auf einem “sozialen Vertrag”, der von den Bürgern freiwillig eingegangen wurde. Seine leidenschaftliche Verteidigung der Vernunft, der individuellen Rechte und des “Gemeinwillens” (Volonté générale) gegenüber dem absolutistischen Staat lieferte die theoretischen Grundlagen der Französischen Revolution. Die Werke Rousseaus beeinflußten nachhaltig die französische Literatur der Romantik und prägte das Denken von Schriftstellern und Philosophen wie Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich von Schiller und Immanuel Kant. Durch seine Betonung der Willensfreiheit sowie die Ablehnung der Erbsünde übte er großen Einfluß auf die Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts aus.

Rousseaus Erziehungstheorie führte zu der Herausbildung toleranterer und psychologisch orientierter Methoden der Kindererziehung und beeinflußte Pädagogen wie Friedrich Fröbel und Johann Heinrich Pestalozzi zu ihren Konzepten moderner Erziehung. In seinem Erziehungsroman Émile ou de l’éducation” von 1762 betonte er die Eigenart kindlicher Entwicklungsschritte und die Notwendigkeit ihrer Berücksichtigung in der Erziehung. In diesem zu seiner Zeit revolutionären Werk ist erstmals die psychische Entwicklung eines Kindes in ihren einzelnen Phasen bis ins Erwachsenenalter beschrieben und in den Rahmen von Rousseaus zentraler These eingebettet, daß das Wesen des Menschen von Natur aus gut ist und erst durch die Zivilisation und gesellschaftliche Zwänge verdorben wird.


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