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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Herder

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

Johann Gottfried von, 1744-1803, Schriftsteller, Philosoph und Theologe, der die Dichtung der deutschen Klassik und Romantik wesentlich beeinflußte und als einer der Begründer der deutschen Sprach- und Geschichtswissenschaften gilt. In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen eignete sich Herder ab 1760 als Kopist in einer Pfarrbibliothek durch unermüdliches Lesen eine umfassende Bildung an. Er studierte dann an der Universität Königsberg Medizin, Theologie und Philosophie, vor allem bei Immanuel Kant. Auf Empfehlung des Philosophen Johann Georg Hamann wurde er 1764 Lehrer und Prediger in Riga. 1769 brach er zu einer längeren Reise durch Europa auf, in deren Verlauf er 1770 in Straßburg Johann Wolfgang von Goethe kennenlernte. Nach einer Tätigkeit als Prediger und Superintendent in Bückeburg wurde er durch die Vermittlung und Fürsprache Goethes 1776 Generalsuperintendent und Hofprediger in Weimar. Mit seinem kritischen Frühwerk "Über die neuere deutsche Literatur" (1767) begann Herders Wirken als Denker des Irrationalismus. Neben einer Vielzahl von Werken, die in die deutsche Literaturgeschichte eingegangen sind, legte er die Idee des Volksgeistes als kultureller Identität vor, die in Sprache und Literatur einer Nation zum Ausdruck kommt. Wegweisend für die Anfänge der deutschen Sprachwissenschaft war seine "Abhandlung über den Ursprung der Sprache" (1772), in der er sprachliche Phänomene und die Natur des Menschen miteinander in Beziehung setzte. Seine sprachphilosophischen Werke sind reich an sprachpsychologischen Überlegungen. Sein vierbändiges Hauptwerk "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1784-1791) wurde nicht nur für die Geschichtsphilosophie bedeutsam, sondern auch für die Psychologie und Seelenlehre der Romantik. Herder vertrat hier die Auffassung, daß die Naturgeschichte und die Geschichte des Menschen denselben Gesetzen gehorchen und daß es sich bei der Geschichte um einen organischen Prozeß handelt, der von der natürlichen Umwelt, der geistigen Eigenart des Volkes und der Vergangenheit beeinflußt wird. Umweltfaktoren wie Klima und Landschaft maß er einen wesentlichen Beitrag als Determinanten kultureller Leistungen zu. Herder war der erste, der den "Kulturvölkern" die "Naturvölker" gegenüberstellte und kann als Ahnherr der späteren Völker- und Ethnopsychologie angesehen werden (Kulturpsychologie). Er beschäftigte sich auch mit physiognomischen Theorien und betonte das Zusammenspiel seelischer Funktionen und ihre wechselseitige Abhängigkeit vom Leib.


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