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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Alltagsattributionen

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

Alltagsattributionen, im Alltag vorgenommene Attributionen bzw. Ursachenzuschreibungen. Klassische Modelle der Attributionstheorie, wie z.B. das ANOVA-Modell, geben vor, wie die Ursachen von Ereignissen in wissenschaftlicher Art und Weise, also möglichst objektiv und umfassend, analysiert werden können. Im Alltag werden Attributionen jedoch meist nicht nach wissenschaftlichen Prinzipien vorgenommen, sondern weisen eine Reihe von kognitiven und motivationalen Verzerrungen auf. Zur Bildung eines Urteils werden häufig nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen herangezogen. Das Phänomen des Fundamentalen Attributionsfehlers beruht darauf, daß Beobachter das Ereignis einseitig auf stabile Merkmale der agierenden Person zurückführen, während sie Besonderheiten der Situation weitgehend unberücksichtigt lassen. Auch der Akteur-Beobachter-Unterschied geht darauf zurück, daß je nach Perspektive bestimmte Informationen bevorzugt wahrgenommen und andere ausgeblendet werden: Akteure führen das Handlungsergebnis eher auf die Situation zurück und vernachlässigen den eigenen Anteil, während Beobachter eher auf die Person als auf die Situation attribuieren. Unter dem Begriff "Selbstwertdienliche Attributionen" werden Verzerrungen zusammengefaßt, die dazu dienen, das Selbstwertgefühl zu schützen oder zu erhöhen. Im Bereich der Leistungsbeurteilung zum Beispiel zeigt sich, daß eigene Erfolge meist auf Merkmale der Person, wie z.B. Fähigkeit und Anstrengung, attribuiert werden, während Mißerfolge eher extern mit Zufall oder Aufgabenschwierigkeit erklärt werden. Durch diese Art der Attribution können Personen Erfolge sich selbst zuschreiben und die Verantwortung für Mißerfolge ablehnen. Die Redewendung "Der Erfolg hat viele Väter" zeigt, daß dieses Phänomen nicht nur in der sozialpsychologischen Forschung bekannt ist. In ähnlicher Weise werden Attributionen nicht nur auf der individuellen, sondern auch auf der Gruppenebene verzerrt. Positives Verhalten eines Mitglieds der eigenen Gruppe wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal zurückgeführt, während entsprechendes Verhalten in der Fremdgruppe auf instabile Merkmale der Person oder auf die Situation attribuiert wird. Diese Tendenz, die auch als "Ethnozentrischer Attributionsfehler" bezeichnet wird, führt zu einer Aufwertung der eigenen Gruppe und damit zur Bestätigung der Gruppenzugehörigkeit. Die beschriebenen Attributionsverzerrungen können dazu führen, daß eine einseitige Erklärung für ein Ereignis gefunden wird. Auf der anderen Seite bewirken sie aber auch, daß der Attributionsprozeß vereinfacht und verkürzt wird. Weiterhin führen insbesondere die selbstwertdienlichen und die gruppenbestätigenden Attributionen zu einer Verstärkung positiver und Vermeidung negativer Gefühle.

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