Beanspruchung, die in der Person stattfindenden Prozesse bzw. Wirkungen von Belastungen. Dabei ist bei gleicher Belastung die Beanspruchung für unterschiedliche Personen verschieden: Jeder Organismus wird - je nach Gesundheitszustand, Ausbildung und Geübtheit, Wahrnehmungs- und Interpretationsstilen usw. - anders "in Anspruch" genommen. Von Streß sprechen wir, wenn es sich um eine als aversiv erlebte, von negativen Emotionen begleitete Beanspruchung handelt. Beanspruchung drückt sich u.a. auch in physiologischen und endokrinen Veränderungen aus (Blutdruck- und Pulsveränderungen, Hormonausschüttung, Veränderungen im EEG usw.). Wir können zwischen körperlicher, mentaler und emotionaler Beanspruchung unterscheiden und innerhalb dieser Bereiche wiederum zwischen der Beanspruchung bestimmter Muskelgruppen, Gedächtnis-, Wahrnehmungs- und Entscheidungsfunktionen differenzieren. Diese Funktionen sind während der Belastung "gebunden", d.h. sie stehen für andere Belastungen nicht zur Verfügung. Tätigkeiten mit den gleichen Funktionsansprüchen konkurrieren um die gleichen Ressourcen und beeinträchtigen sich gegenseitig stärker als Tätigkeiten mit unterschiedlichen Funktionsansprüchen. Wie sich mit Doppelaufgaben feststellen läßt, behindert z.B. Lärm geringer Intensität komplexe geistige Funktionen stärker als die Ausführung von Routinetätigkeiten.
Die Beanspruchung der Organismus-Funktionen ist zum einen Voraussetzung für den langfristigen strukturellen Aufbau bzw. Erhalt dieser Funktionen. Würden sie nicht beansprucht werden, würden sie ihre Funktionsfähigkeit verlieren. Zum anderen setzt Beanspruchung die momentane Funktionsfähigkeit immer auch herab, wie die Ermüdung - als Schutzhemmung der Leistungsbereitschaft - zeigt. Beanspruchung ist somit ein komplexer Prozeß, der nicht nur von der Höhe der Belastung bestimmt wird, sondern auch durch Ressourcen struktureller Art (Kenntnisstand, allgemeine Leistungsfähigkeit) und aktueller Art (momentaner Gesundheitszustand, Tagesrhythmik). Und: Menschen können die Beanspruchung durch ihr Handeln zumindest teilweise regulieren, so z.B. a) durch aufwandsärmere Strategien: Verzicht auf Kontrolloperationen, Sicherheitsvorkehrungen, aufwandsärmere und gleichzeitig riskantere Arbeitstechniken; b) durch vorbeugende Beanspruchungsreduktion bei absehbaren längerfristigen Beanspruchungen: geringeres Tempo, Zuhilfenahme technischer Hilfmittel (Ergonomie, Arbeits- und Organisationspsychologie).
Literatur
Udris, I. & Frese, M. (1999). Belastung und Beanspruchung. In C. G. Hoyos & D. Frey (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union.
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