nach psychoanalytischem Sprachgebrauch das »Bild«, das sich ein Kind von Vater, Mutter oder anderen nahen Personen gemacht hat, und nach dem der Mensch späterhin andere Personen einschätzt. Der Knabe beurteilt Lehrer, der Jüngling Berufsausbilder, der Mann Vorgesetzte und politische Führer nach dem Maßstab, den der Vater gesetzt hat. In der Frau sucht er ein Ebenbild der Mutter. Ähnlich verhält es sich umgekehrt bei dem Mädchen und der Frau. Sind die Vorbilder als negativ erlebt worden, dann wird das entsprechende Imago ausdrücklich vermieden. Das Nachbild entspricht nicht den wirklichen Eltern, sondern stellt eine Umformung dar, die von frühen Wünschen und Ängsten eingefärbt ist. Die Erinnerung vereinfacht, harmonisiert die Widersprüche, übertreibt Vorzüge oder Fehler. Die Erfahrungen, die das Bild geprägt haben, sind zum großen Teil vergessen, das heißt ins Unbewußte verdrängt. Das Imago ist also nicht ein bewußtes Ideal, sondern wirkt unterirdisch. Es führt oft irre, weil es sich nicht mehr auf einen wirklichen Menschen bezieht, und weil kein Zweiter diesem Vorbild oder gar seiner Umformung entsprechen kann. Auch stammt es ja aus einer Zeit, die ganz anders war als die Umstände, unter denen man sich zu neuen Menschen nach dem alten Imago einstellt. Die Frau kann dem Mann nicht nur »Mutter« oder »Schwester« sein, der Mann für die Frau nicht nur »Vater« oder »Bruder«. Der Knabe muß sich dem Vater mehr unterordnen als ein Mann seinen Vorgesetzten. Wenn der Jüngling leidenschaftlich rebelliert hat, folgt daraus noch nicht, daß er gegen jede Autorität blindlings rebellieren müßte. Das Imago und seine Übertragung auf mitmenschliche Verhältnisse bietet eine wichtige Leitlinie des psychischen Lebens, die aber unter die Kontrolle des Bewußtseins gestellt werden müßte, damit sie nicht zum Zwang wird.Lateinisch für Bild; in der Psychoanalyse die Vorstellungsbilder wichtiger Bezugspersonen der Kindheit (Vater-Imago, Mutter-Imago).
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