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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Reaktanztheorie

Autor
Autor:
Werner Eberlein

beschreibt die psychologischen Folgen einer wahrgenommenen Freiheitseinschränkung. Reaktanz besteht in der Aufwertung der bedrohten oder verlorenen Alternative. Sie zeigt sich typischerweise 1) bei Verboten, 2) unter knappen Ressourcen oder 3) bei durchschaubaren und plumpen Beeinflussungsversuchen.

1) Ein Gegenstand oder eine Verhaltensoption wird dadurch aufgewertet, daß man seine Zugänglichkeit durch ein Verbot einschränkt. So soll beispielsweise die Zarin Katharina die Große dem russischen Volk die Kartoffel als Gemüse attraktiv gemacht haben, indem sie die keineswegs sehr begehrten Kartoffeläcker einzäunen und den Diebstahl der dort angebauten Erdäpfel unter Strafe stellen ließ.

2) Attraktiver werden Dinge auch, wenn sich zeigt, daß sie nur eingeschränkt verfügbar sind. So kann Werbung die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf Produkte lenken, die nur in limitierter Stückzahl vorhanden sind. Ebenso profitiert von diesem Effekt das offensichtlich letzte Exemplar eines Produktes im Geschäft (Werbepsychologie).

3) Eine Einflußnahme auf die freie Meinungsbildung kann vom Rezipienten wie eine Freiheitseinschränkung erlebt werden und Reaktanz auslösen. Die Reaktanz besteht hier in der Abwertung der beeinflussenden Kommunikation bzw. des Kommunikators. Da der Sender der Botschaft in diesem Fall offenbar das Gegenteil von dem erreicht, was er erreichen wollte, spricht man hier auch von einem Bumerangeffekt.

Die wichtigsten Bedingungen für das Auftreten von Reaktanz sind folgende:

– Freiheitserwartung: Reaktanz stellt sich nur ein, wenn die Personen ursprünglich erwartet haben, über die bedrohte oder verlorene Option frei verfügen zu können. Fehlt die Freiheitserwartung, ist bei Verlust einer Alternative mit einer Abwertung der verlorenen und einer Aufwertung der verfügbaren Optionen zu rechnen (Saurer-Trauben-Effekt).

– Wichtigkeit der Freiheit: Die bedrohte Freiheit muß mit wichtigen Bedürfnissen verknüpft sein, das Ausüben der Freiheit sollte mit hinreichender Sicherheit dem eigenen Nutzen dienen und die verfügbaren Restoptionen sollten der verlorenen Option nicht allzu ähnlich sein.

– offenkundige Beeinflussungsabsicht: Subtile und uneigennützige Beeinflussungsversuche sind weniger vom Bumerang-Effekt bedroht als plumpe und eigennützige. Eine deutliche Beeinflussungsabsicht ist auch bei emotionaler Beeinflussungsstrategie (z.B. Furcht- oder Schuldappelle) gegeben. Auch hier ist Reaktanz in Form des Bumerang-Effekts wahrscheinlich.


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