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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Freiheit

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

sah der deutsche Boheme-Dichter Peter Hille (t 1904) begrenzt durch die Abhängigkeit »vom Hunger, von der Krankheit und von der Polizei«. Die Polizei steht hier für die Einschränkungen, die die Gemeinschaft dem Einzelnen auferlegt. Der Mensch könnte ohne die Zusammenarbeit mit anderen nicht überleben. Schon durch sein Aufwachsen in der Familie wird er zu einem Gemeinschaftswesen. Die Geborgenheit, die er als Kind erlebt oder auch vermißt, sucht er immer wieder und schränkt damit sein Freiheitsbedürfnis gleichsam freiwillig ein. Oft wird er mehr noch als durch äußeren Zwang oder soziale Rücksichten beengt durch die Hemmungen, die die Erziehung in ihn eingepflanzt hat, so daß er sie nicht mehr als Abkömmlinge früher Gebote und Verbote empfindet, sondern als die Regungen seines eigenen Gewissens (Über-Ich). Alte Konflikte zwischen Trieb und Moral., die nie ausgetragen worden sind, leben als Komplexe unbewußt weiter. Sie bestimmen sein Verhalten wie sein Empfinden in einem Maße, das er weder erkennt noch überhaupt wahr haben will. Wenn er merkt, daß trotz aller Kultur seine Triebe durchbrechen, fühlt er sich im Bewußtsein seiner vermeintlichen Willensfreiheit gekränkt. Die Tiefenpsychologie ist nicht zuletzt deshalb auf so viel Widerstand gestoßen, weil sie erwies, daß wir nicht einmal in unseren Träumen frei sind und selbst unsere kleinen Fehlleistungen durch das Kräftespiel im Unbewußten vorbestimmt (determiniert) werden. Der Weg zur Freiheit, den sie wies, führt über die Selbsterkenntnis. Nur sie erlaubt es, unsere Kräfte im Verhältnis zueinander und zu den Bedingungen der Umwelt einigermaßen richtig einzuschätzen und einzusetzen. Nur dann finden wir einen denkbaren Weg zwischen der lebensnotwendigen Befriedigung unserer Triebbedürfnisse und der ebenso notwendigen Triebkontrolle. Nur dann können wir auch uns dort an die Gemeinschaft anpassen, wo es unumgänglich ist, und doch dort die Anpassung verweigern, wo sie ein Selbstverrat wäre. In der Auseinandersetzung zwischen persönlicher Freiheit und sozialem Gehorsam wählen manche einseitig die Rebellion– und gehen daran meist zugrunde. Andere bevorzugen jene Sicherheit, die das Mittrotten wie in einer Hammelherde gewährt. Generell aber macht es nicht den Eindruck, als ob man »den Menschen durch irgendwelche Beeinflußung dazu bringen kann, seine Natur in die eines Termiten umzuwandeln«, wie Freud es ausdrückte, der es als Schicksalsproblem ansah, ob der Konflikt zwischen individuellen und den »kulturellen Massenansprüchen« irgendwie ausgeglichen werden kann »oder unversöhnlich ist«.

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