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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Schaulust

Autor
Autor:
Irene Roubicek-Solms

ein Phänomen, das sich zu allen Zeiten und in allen Kulturen findet. Beispiele sind Gladiatorenkämpfe, Hexenverbrennungen, Pranger, die teilweise bis in das 19. Jahrhundert hinein eine Unterhaltungsattraktion für das Volk darstellten. Heute sind Bildberichte über Unfälle, Katastrophen und Kriegsgreuel in Fernsehen (“Reality-TV") oder Zeitungen an die Stelle der Gladiatorenkämpfe getreten. Zu allen Zeiten gab es eine Unterscheidung zwischen “guter" und “schlechter" Schaulust; die daraus folgenden Normen variierten jedoch im Laufe der Geschichte und zwischen den Gesellschaften. Schicht- und gruppenspezifische Verhaltensregeln, religiöse Leitlinien sowie die öffentliche Meinung schreiben vor, wieweit Interesse und Neugierverhalten gehen dürfen. Das Betrachten grauenvoller Bilder in seriösen Nachrichtensendungen oder -magazinen gilt in unserem heutigen Normgefüge mehrheitlich als durchaus akzeptabel; eher als unmoralisch das Verweilen auf einer Brücke bei einem Massenunfall. Teilweise wird es auch nur speziellen Personengruppen, Journalisten, Medizinern erlaubt, derartige Ereignisse oder deren Opfer anzusehen.

Früher,etwa zwischen 1920 und 1930, postulierte man ein angeborenes Neugiermotiv (Neugier), heute dagegen häufig ein Schutzmotiv. Durch das Erforschen von Unbekanntem gewinne der Mensch an persönlicher Sicherheit. Wenn man dieser Interpretation folgt, würden Schaulustige somit nicht Nervenkitzel, sondern Informationen suchen (z.B. wie der Unfall passieren konnte), um zukünftige Gefahren zu verringern. Andere Forscher deuten den Zwang hinzuschauen als unterbewußten Wunsch nach Bestätigung der eigenen Unversehrtheit beim Miterleben des Leides anderer.


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