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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

subjektive Krankheitskonzepte

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

auch: subjektive Krankheitstheorien, subjektive Laienkonzepte, sind komplexe kognitive Gebilde, die das individuelle Wissen über Erkrankungen bündeln und organisieren. Sie entstehen durch die Auseinandersetzung mit einer Krankheit und dienen der Krankheitsverarbeitung, indem sie es ermöglichen, Krankheit als spezifischen Lebensbereich zu verstehen und als Teil des eigenen Lebens zu akzeptieren, krankheitsbezogene Erfahrungen zu erklären, Vorhersagen über Krankheitsverläufe zu ermöglichen und individuelle Entscheidungen über den Umgang und die Therapie der Krankheit zu erleichtern.

Subjektive Krankheitskonzepte zu spezifischen Erkrankungen entstehen durch das Erleben und den Umgang mit der Krankheit; sie können sich auch bei nicht erkrankten Personen durch die Konfrontation mit einer Erkrankung ausbilden (z.B. bei medizinischem Personal oder Angehörigen). Gelegentlich wird unter subjektiven Krankheitskonzepten auch das Wissen über Krankheit im allgemeinen (im Sinne von gesellschaftlich geteiltem Wissen) verstanden, das das individuelle Handeln immer dann steuert, wenn keine persönlichen Erfahrungen mit einer spezifischen Erkrankung vorliegen.

In die subjektiven Krankheitskonzepte im engeren Sinne gehen verschiedene Arten von Erfahrungen und Informationen ein: die körperlichen Auswirkungen einer eigenen Krankheit, die bisherigen Erfahrungen mit einer eigenen Erkrankung, die Beobachtung von Erkrankten, Informationen über eine Erkrankung, die durch Medien vermittelt werden, Inhalte von Kommunikationen mit Betroffenen oder Fachleuten. Das Ergebnis der Verarbeitung dieser Informationen ist individuell hochspezifisch; diesem Umstand wird durch die Bezeichnung "subjektive" Krankheitskonzepte Rechnung getragen.

Die Subjektivität bezieht sich auf die Inhalte der Krankheitskonzepte, während ihre Form durch eine Reihe von Kategorien beschrieben werden kann. Dies sind: Annahmen über die Symptomatik einer Erkrankung (sowie die Verbindung der Symptome mit dem Namen der Krankheit), Annahmen über Krankheitsursachen, Erwartungen bezüglich der lang- und kurzfristigen Folgen, Annahmen über die Therapierbarkeit und Heilbarkeit der Erkrankung, Erwartungen über den Verlauf, Annahmen über die Kontrollierbarkeit sowie auch über die Sinnhaftigkeit der Erkrankung in der Biographie. Diese Kategorien finden sich in fast allen Krankheitskonzepten, so daß ihnen universelle Gültigkeit zugeschrieben wird, wenn auch im Einzelfall einzelne Kategorien unbedeutend sein können und daher inhaltlich nicht gefüllt werden.

Die Kenntnis subjektiver Krankheitskonzepte kann für therapeutische Situationen von großem praktischen Nutzen sein, da unterschiedliche Konzepte über eine Erkrankung bei Erkrankten und Behandelnden zu Kommunikationsproblemen und mangelnder Compliance auf seiten der Erkrankten führen können (Gesundheitspsychologie).

Literatur

Petrie, K.J. & Weinman, J.A. (Eds.). (1997). Perceptions of health and illness. Amsterdam: Harwood Academic Publishers.


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