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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Testweisheit

Autor
Autor:
Sonja Margarethe Amstetter

auch: Testwiseness, Testerfahrung, Testkompetenz, entsteht durch allgemeine Erfahrung mit Tests oder durch gezielte Schulung als Vorbereitung für Ausleseverfahren. Es lassen sich allgemeine Testwiseness (Testklugheit, unspezifische Testerfahrung) und spezifische Testvorkenntnisse (Vorbereitung auf bestimmte Testformen bis zur Kenntnis der zu bearbeitenden Items) unterscheiden. In Längsschnittstudien besteht die Gefahr, daß sich in verbesserten Testergebnissen Entwicklungszuwächse und Testerfahrungsgewinne vermischen. Verbesserte Testergebnisse bei Testwiederholung können durch Aufgabenerinnerung (abhängig vom Zeitintervall), wachsende Vertrautheit mit der Testsituation, durch verfeinerte Lösungsstrategien oder durch zunehmende Fähigkeiten zustande kommen. Allerdings sind Sättigungseffekte ebenso nicht ausschließbar.

Zur Testweisheit zählen nach Rogers und Yang (1996)

– Zeiteinteilungsstrategien (z.B. schnell arbeiten, Unlösbares aufgeben),

– Fehlervermeidungsstrategien (alle Antworten prüfen),

– Ratestrategien (raten falls nicht wissen),

– allgemeine Schlußfolgerungsstrategien (raten auf plausible Lösungen einschränken),

– Intentionenerwägungsstrategien (mögliche Intentionen des Konstrukteurs bei Aufgaben- und Antwortenstellung berücksichtigen) und

– Schlüsselinformationsstrategien (z.B. richtige Antworten passen grammatikalisch zur Frage).

Die Testlösung wird ohne spezifisches Testwissen und ohne logischen Bezug zum Testinhalt aufgrund der Testsituation oder Testäußerlichkeiten gefunden.

Trainingsprogramme, die Personen auf Eignungstests und Auswahlverfahren vorbereiten (Berufseignungsdiagnostik), fördern Leistungen in der Höhe von ca. d=0,33 (ein Drittel Standardabweichung). Sie reduzieren Testängste und fördern Testkompetenzen sowie solche Fähigkeiten, die durch den Test erhoben werden. Größere Effekte sind vor allem bei mit Tests wenig vertrauten Personen erwartbar.

Spezifische Testvorkenntnisse (z.B. Lösungswissen bei einzelnen Aufgaben, Erinnerung) verfälschen Testergebnisse. Ein Intelligenztest mißt dann nicht mehr Intelligenz, sondern unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen der Probanden zu den Lösungen des Tests. Die prognostische Validität der Tests zur Vorhersage von Leistungen sinkt. Allgemeine Testwiseness beeinträchtigt weniger die Validität von Leistungstests, da die Beherrschung von Beantwortungsstrategien ein Indikator von Intelligenz darstellt und auch bei der Lösung von Ausbildungs- oder Berufsaufgaben eine Rolle spielt. Testwiseness kann mit Intelligenz oder Motivation korrelieren, die auch die Leistung im Kriterium erhöhen. Ähnliches trifft auch auf Schulung zu, da sie als Indikator für Motivation gelten kann – wer sich gezielt auf Tests vorbereitet, wird dies wahrscheinlich auch später in Ausbildung und Beruf tun. Falls diese Motivation von Dauer ist und die Leistung im Kriterium positiv beeinflußt, sinkt nicht die Validität des Auswahlverfahrens. Allerdings haben nicht alle Personen gleichen Zugang zu Vorbereitungsprogrammen.

Der Einfluß von Testvorkenntnissen, Testweisheit und Schulungsprogrammen läßt sich reduzieren, indem allen Testteilnehmern gleicher Zugang zu Übungsmaterialien eingeräumt wird, Tests sorgfältig konstruiert (z.B. keine unsinnigen falschen Alternativen), grundlegende Fähigkeiten statt erlernbare Kenntnisse getestet, Tests geschützt, laufend Items modifiziert und Parallelformen eingesetzt werden. Tests unterliegen einem Testschutz, sie dürfen nur von qualifiziertem Personal erworben und genutzt werden. Testwiederholungseffekte lassen sich durch Kontrollgruppen bestimmen (Solomon-Vier-Gruppen-Design).

Literatur

Rogers, W. T. & Yang, P. (1996). Test-Wiseness: Its nature and application. European Journal of Psychology Assessment, 12 (3), 247-259.


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