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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Durcharbeiten

Autor
Autor:
Anneliese Widmann-Kramer

das vom Analysanden in der Psychoanalyse zu leistende Bearbeiten seiner Übertragungswiderstände. In "Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten" skizzierte Freud (1914) den für die Psychoanalyse so zentralen Vorgang der Aktualisierung des neurotischen Konflikts in der Übertragungsneurose, die in hervorragender Weise die Bearbeitung der Erinnerungslücken ermöglicht. Allerdings wehren sich Patienten aufgrund ihrer lebensgeschichtlich gebildeten Abwehrformationen und auch aufgrund der im Hier und Jetzt entstandenen Hemmungen und Ängste gegen das Bewußtwerden der Übertragungsbeziehung (Übertragung).

So will z.B. ein Patient nicht wahrnehmen, daß er seine Therapeutin als vereinnahmend erlebt. Folglich ist von einem Übertragungswiderstand auszugehen, der die analytische Kur auf Schritt und Tritt begleitet. Nur allmählich kann ein Analysand vormals verdrängte, dissoziierte und verleugnete Anteile des eigenen Erlebens zulassen. Freud warnte deshalb auch den enthusiastischen Anfänger davor, nicht enttäuscht zu sein, wenn das Benennen des Widerstands, z.B. "es fällt Ihnen schwer, mir gegenüber Ihren Ärger wegen der ausgefallenen Stunde zu äußern", nicht bereits zu einer grundlegenden Änderung im Verhalten und Erleben eines Patienten führt. Aber - so Freud - man müsse dem Analysanden die Zeit lassen, sich in den ihm unbekannten Widerstand zu vertiefen, ihn durchzuarbeiten und schließlich zu überwinden.

Eine zeitgenössische Auffassung dieses Konzepts berücksichtigt zwar viele intrapsychische Parameter, wie z.B. Lernfähigkeit und -tempo eines Patienten, seine Schamanfälligkeit (Scham), hartnäckige charakterstrukturelle Probleme, wie eine narzißtische Haltung, wegen des vergangenen Leids als Ausnahme behandelt werden zu wollen u.v.m., darf aber nicht übersehen, daß die erfolgreiche Durcharbeitung der Übertragungswiderstände beim Patienten auch in unterschiedlichem Ausmaß von der spezifischen Interaktion mit dem Analytiker, dessen Gegenübertragung, persönlichkeitsstrukturellen Eigenarten und neurotischen Konflikten (Konflikt nach Freud) abhängig sein kann.

Das Durcharbeiten geschieht nicht nur mit Hilfe von Übertragungsdeutungen, sondern auch im Verstehen der alltäglichen Realität eines Analysanden und im immer wieder erneuten Analysieren der noch nicht geglückten Problemlösungs-schritte im außeranalytischen Kontext.

Mittlerweile liegen in der Psychoanalyse zahlreiche Modellvorstellungen vor, wie eine Veränderung intrapsychisch und interpersonell vonstattengeht, wie z.B. das dialektische Veränderungsmodell von Gottfried Fischer (1989). Psychotherapeuten-Interventionen lassen sich auch empirisch daraufhin überprüfen, ob sie die vorbewußten und unbewußten pathogenen Überzeugungen eines Patienten invalidieren oder eher bekräftigen (Joseph Weiss und Harald Sampson), was auch als Gütemaß für den Durcharbeitungsprozeß gelten kann.

Literatur

Fischer, G. (1989). Dialektik der Veränderung in Psychoanalyse und Psychotherapie. Modell, Theorie und systematische Fallstudie. Heidelberg: Asanger.


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