die Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren, die v.a. auch aufgrund der beträchtlichen Kosten für Psychotherapie von Bedeutung ist. Dabei ist weniger der rein finanzielle Aufwand gemeint: Die finanziellen Gesamtaufwendungen für die ganz überwiegend wirksame Psychotherapie sind weit geringer als für jenen Anteil an Medikamenten, der unwirksam im Müll landet. Dazu kommen jedoch Ausfallzeiten, investierte Lebenszeit, Entmutigung bis Schädigung bei Unwirksamkeit oder Mißerfolg. Daher hat die Frage nach der Wirkung von Psychotherapie neben der fundamentalen theoretischen auch eine hohe praktische Relevanz.
1) Generelle Wirksamkeit: H.J. Eysenck formulierte 1952 bewußt als Provokation, Psychotherapie sei im Endeffekt nicht wirksamer als gar keine Therapie, da bei einem größeren Teil der Patienten Besserung auch ohne Behandlung eintrete (Spontanremission). Die Spontanremission ist freilich keine Wunderheilung, sondern dem heilenden therapeutischen (aber eben nicht kontrolliert professionellen) Einfluß von Lebenspartnern, Freunden, Pfarrern, Sozialarbeitern etc. und letztlich der Zeit (= Eigentherapie) zuzuschreiben. Eysenck hat damit eine Welle der Forschung ausgelöst, die sehr schnell zeigte, daß a) Spontanremission seltener ist, als behauptet, b) Therapie in wesentlich kürzerer Zeit zu Erfolgen kommt, c) Therapie überwiegend mit jenen durchgeführt wird, die sich als spontanremissions-resistent erwiesen haben (d.h. bereits lange Leidenswege hinter sich haben).
2) Unterscheidung zwischen efficacy und effectiveness: a) "Efficacy" bezieht sich auf die meist an Universitäten vollzogenen, organisatorisch aufwendigen, methodisch sehr rigorosen Therapie-Studien, mit zufälliger Zuweisung von Patienten in Behandlungs- und Kontrollgruppen, weitgehend manualisierten Behandlungen, einer festen Zahl von Sitzungen, klar operationalisierten Behandlungszielen, klar abgegrenzten Störungen etc. Solche Studien herrschen an der Universität weitgehend vor eben weil für Forschung die Universitäten und vergleichbare Institutionen zuständig sind (und z.B. nicht Berufsverbände und -vereine) und eine methodisch saubere Forschung in die Karrieremuster (u.a. Fachzeitschriften) dieser Institutionen paßt. b) Im Gegensatz zu den reinen Bedingungsfaktoren solcher Forschungssituationen findet reale Therapie allerdings meist mit Patienten statt, die gezielt einen bestimmten Therapeuten wählen, die oft keine eindimensionale Störung haben, deren Therapieziele sich im Laufe der Therapie verändern können und deren kompetente Therapeuten sich durch große Freiheitsgrade in der detaillierten Vorgehensweise auszeichnen (und nicht durch Befolgung eines Manuals). Die Frage nach der Wirksamkeit ist aber auch für diese Therapien bedeutsam. Daher war es von hoher Brisanz, als 1995 mit einer goßangelegten Studie in den USA (Consumer Reports) die "effectiveness" realer therapeutischer Praxis untersucht wurde. Die Ergebnisse unterschieden sich von denen der efficacy-Studien:
Für längere Behandlungen ließ sich durchaus ein höherer Besserungsgrad als für kurze Behandlungen belegen.
Psychotherapie wurde durch Medikamente (in der Regel) nicht verbessert.
Keine Therapieform konnte allgemein oder mit Hinblick auf bestimmte Störungsbilder eine höhere Wirkung als andere nachweisen.
Psychologen, Psychiater und Sozialarbeiter waren gleich effektiv aber deutlich besser als Eheberater und Behandlungen durch (nicht fachtherapeutische) Ärzte.
Die efficacy-Kriterien sind somit zu einseitig (Seligman 1995).
3) Unterschiede zwischen Therapieansätzen: Ist Therapieform A besser als B? Diese Frage muß zumindest erweitert werden: ...im Hinblick auf Störungsgruppe "S" und Besserungskriterium "Bk. Trotz großer Forschungsanstrengungen ist diese Frage für die rund fünf bis acht am meisten verbreiten Ansätze bisher nicht überzeugend geklärt. Dies liegt sowohl daran, daß hinsichtlich Bk unterschiedliche Auffassungen vorherrschen als auch daran, daß A und B nicht wie Pharma-Substanzen in reiner Form herstellbar sind, sondern jeweils von unterschiedlichen Therapeuten mit unterschiedlichen Lebensgeschichten, Fähigkeiten, Vorlieben und Detailkonzepten durchgeführt werden. Forschungslogisch stellt hier die Manualisierung eine begrüßenswerte Reduktion des Spektrums dar aber das Praxisfeld realer Therapie orientiert sich eher an den Erfordernissen von Patienten als an denen von Forschungsdesigns.
4) Metaanalysen: Umfangreiche Metaanalysen mit Hunderten von Einzelstudien (z.B. Grawe et al. 1994) sind ebenso heftig begrüßt wie kritisiert worden und können derzeit nur als wichtige erste und verbesserungswürdige Schritte gewertet werden. Trotz der allgemein akzeptierten formalen Vergleichbarkeit über sog. Effektstärken als mittlere Verbesserung in Standardabweichungen (üblicherweise der Kontrollgruppe) gemessen ist die inhaltliche Vergleichbarkeit, was überhaupt als Effekt zählen soll, stark umstritten.
5) Viele Forscher bevorzugen daher, zunächst mittels Prozeßforschung grundsätzlichere Aspekte der Wirksamkeit zu untersuchen, z.B. Detail-Fragen über den Verlauf von Therapien, der Patient-Therapeuten-Interaktion, interne und externe Einflüsse. Hierbei wird oft zwischen (Therapie-Richtungs-) spezifischen und unspezifischen, übergreifenden Faktoren unterschieden, doch ist deren genaue Abgrenzung im konkreten Einzelfall schwierig.
6) Weitere Diskussionspunkte beziehen sich auf die Bedeutung von qualitativen Einzelfallanalysen (für tiefenpsychologische Ansätze typisch), wie sinnvolle Kontrollgruppen genau zu bilden sind (z.B. gar keine Behandlung vs. Plazebo-Behandlung) oder die Bewertung von Langzeiteffekten (die erfolgreiche Behandlung einer Grippe impliziert nicht, daß ein Patient nie wieder eine Grippe bekommt doch wie ist die Unterscheidung zwischen Rückfall und Neuerkrankung bei psychischen Krankheiten?).
Literatur
Grawe K. et al. (1994). Psychotherapie im Wandel. Göttingen: Hogrefe.
Seligman, M.E.P. (1995): The effectiveness of psychotherapy. American Psychologist, 50, 965-974.
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