Beichtrituale, auch: Bekenntnisrituale, haben im religiösen Kontext vielfältige Funktionen, die über den subjektiven Nutzen für die Person hinausgehen: Durch die Benennung eines Gefühls, einer Sünde, eines Motivs findet eine verbalisierende Selbstöffnung statt, die eine Übertragung eines zunächst privaten Erlebnisses oder Ereignisses in Sprache darstellt. Durch eine akzeptierende Haltung des Priesters kann die Angst vor Ablehnung und Isolierung gemildert werden. In der christlichen Lehre kommt die Demonstration der Allmacht Gottes hinzu. Wer sich mit diesem religiösen System identifiziert, muß ja davon ausgehen, daß Gott ohnehin die Sachverhalte kennt, die zu beichten sind. Wird etwas verschwiegen, muß mit dem Zorn Gottes gerechnet werden. Erst wenn der Sünder beichtet, kann er sich der göttlichen Solidarität sicher sein. Im Vergleich zu ethnischen Gruppen stützen sich christliche Beichtrituale weitgehend auf die sprachliche Form von Bekenntnissen und weniger auf magische Gegenstände oder Fetische. Wer zur katholischen Beichte geht, akzeptiert damit die Zuständigkeit einer christlichen Institution, deren Wertvorstellungen (z.B. Verbot von sexuellen Phantasien, die nicht auf den Ehepartner gerichtet sind) gleichzeitig die Ursache für innere Spannungen sind, die ihn zum Beichten veranlassen.
Literatur
Traue, H. C. (1998). Emotion und Gesundheit. Die psychobiologische Regulation durch Hemmungen. Spektrum: Heidelberg.
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