das »Künstlervölkchen«, vom Bürger ein wenig verachtet, ein wenig beneidet und seit der Oper von Puccini auch stark romantisiert. Der Name geht auf das Land Böhmen zurück und bezieht sich auf die dort häufigen Zigeuner und ihr unstetes Leben. Die Boheme ist der Typ einer Sonder oder Randschicht mit einer entsprechenden Subkultur, das heißt besonderen Lebensformen und Wertvorstellungen. In den Großstädten sammelt sich die Bohme auch in besonderen Stadtvierteln, so im Pariser »Montmartre«, im Münchener »Schwabing«, im New Yorker »Greenwich Village«. Ausgeprägt hat sich diese Schicht im 19. Jahrhundert, also parallel zur wachsenden Bedeutung des Bürgertums. Sie bot eine Art Asyl für alle, die sich an die strengen Normen von Leistung und Ordnung nicht halten konnten. Stillschweigend wurde z. B. anerkannt, daß Künstler, die für ihre Leistung von der Phantasie und von Stimmungen abhängig sind, nicht der eng monogamen Sexualmoral unterwerfen werden konnten, wie sie für jene Zeit bezeichnend war. Natürlich zog die Bohme auch Menschen an, die keine schöpferische Begabung hatten und nur die Posen des »Künstlers« annehmen konnten. Den Freiheiten, die es in dieser Welt gab, entsprachen Unsicherheiten nicht nur in materieller Beziehung. Die Tragödien der Armut, der Untreue und der Einsamkeit, die es aus der Boheme zu berichten gab, wirkten auf die Bürger als Warnung, ein Gegengewicht gegen die Verlockungen, die von der Welt der Maler und Modelle, der Dachwohnungen und Künstlerkneipen ausgingen. So ist die Boheme nicht nur bedeutsam für die, die in ihr leben, sondern als Gegenbild auch für die Gesellschaft, in der man ihr ein Eckchen eingeräumt hat.
Das freie Lexikon der Psychologie. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Psychologie, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.
PsychologielexikonModernes Studium der Psychologie sollte allen zugängig gemacht werden.