auch: Gefährdungsanalyse. Voraussetzung für alle technischen, organisatorischen und verhaltensbezogenen Maßnahmen zur Förderung von Sicherheit und Gesundheit ist ein Wissen um die vorhandenen Gefahren. Gefahren müssen wahrgenommen, erkannt und in ihren potentiell schädigenden Wirkungen richtig beurteilt werden. Bei den Methoden der Gefährdungsbeurteilung wird zwischen der indirekten und direkten Gefährdungsbeurteilung unterschieden. Während die indirekte Gefährdungsbeurteilung versucht, auf Grundlage eines geschehenen Unfalls oder einer eingetretenen sicherheitskritischen Situation Rückschlüsse auf die Faktoren zu ziehen, die letztlich zu dem Unfall bzw. zu einem Beinahe-Unfall geführt haben, wird über das Verfahren einer direkten Gefährdungsbeurteilung versucht, im Vorfeld sicherheits- und gesundheitskritische Bedingungen und Verhaltensweisen aufzudecken, mit dem Ziel, diese zu eliminieren.
Im Arbeits- und Gesundheitsschutz gewinnt die Sichtweise der Prävention, d.h. des vorbeugenden Tätigwerdens an Bedeutung, neben ethischen Erwägungen nicht zuletzt aus dem Bestreben heraus, Kosten für Unfälle, arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten zu reduzieren. Daher kommt der sicherheits- und gesundheitsgerechten Gestaltung von Arbeitsbedingungen durch technische und organisatorische Maßnahmen und der Förderung von gefahren- und situationsangemessenem Verhalten große Bedeutung zu. Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen, Maßnahmen zum Schutz vor Gefahren abzuleiten, umzusetzen und dies schriftlich zu dokumentieren.
Ziel einer Gefährdungsbeurteilung ist es, Gefährdungen während der Arbeitstätigkeit möglichst umfassend zu erheben. Neben klassischen Unfallgefahren soll dabei auch das vorhandene Belastungsspektrum erfaßt werden. Hierzu gehören nicht nur physische Belastungen (durch Heben und Tragen schwerer Lasten, körperliche Zwangshaltungen etc.) sondern auch psychische Belastungen (durch Zeit- Termin- oder Kostendruck, unklare Kompetenzregelungen, Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten etc.), denen bei der Entstehung arbeitsbedingter Erkrankungen und Berufskrankheiten eine zunehmend wichtige Rolle beigemessen wird. Der typische Ablauf einer Gefährdungsbeurteilung umfaßt folgende Schritte: Gefährdungen ermitteln und bewerten, Schutzmaßnahmen ableiten und durchführen, Wirksamkeit der Maßnahmen prüfen, Ergebnisse dokumentieren.
Zur Beurteilung vorliegender Gefährdungen können verschiedene Verfahren herangezogen werden: Betriebsbegehungen, Mitarbeiterbefragungen, sicherheitstechnische Überprüfungen von Arbeitsmitteln, spezielle Ereignis-, Sicherheits- oder Risikoanalysen. Die Auswahl der Methoden erfolgt in Abhängigkeit von dem zu erwartenden Gefährdungspotential, von Arbeitsverfahren und Arbeitsmitteln sowie von organisatorischen und personellen Voraussetzungen im Betrieb. Der Beteiligung der Mitarbeiter kommt bei Gefährdungsbeurteilungen generell eine große Bedeutung zu. Die Mitarbeiter sind zum einen "Experten vor Ort", d.h. sie kennen viele Gefahren und Gefährdungsmöglichkeiten während ihrer Arbeitstätigkeit und können daher einen wertvollen Beitrag zur Gefährdungsbeurteilung leisten. Zum anderen ist eine Partizipation bei der Entwicklung von Schutzmaßnahmen eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz dieser Maßnahmen.
Literatur
Hoyos, C. Graf (1980). Psychologische Unfall- und Sicherheitsforschung. Stuttgart: Kohlhammer.
Hoyos , C. Graf & Ruppert, F. (1993). Der Fragebogen zur Sicherheitsdiagnose - FSD. Bern: Huber.
Kirchberg, S. u.a. (1998). Ratgeber zur Ermittlung gefährdungsbezogener Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb. Handbuch für Arbeitsschutzfachleute. Dortmund/Berlin: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
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