Edmund, 1859-1938, in Mähren (heute in der Tschechischen Republik) geborene Philosoph, studierte an den Universitäten Leipzig, Berlin und Wien Naturwissenschaften, Mathematik und Philosophie, u.a. bei Carl Stumpf und Franz Brentano. Seine Dissertation schrieb er über die Variationsrechnung. 1887 habilitierte er sich an der Universität Halle, wo er als Dozent für Philosophie tätig war. Im selben Jahr trat er vom jüdischen zum lutherischen Glauben über. 1901 wurde er Professor in Göttingen, von 1916 an lehrte er bis zu seiner Emeritierung in Freiburg. Im Dritten Reich mußte er sich aus der öffentlichen wissenschaftlichen Arbeit zurückziehen. Mit seinen "Logischen Untersuchungen" (1901) und den "Ideen zu einer reinen Phänomenologie (1913) wurde er zum Begründer der "phänomenologischen Philosophie". Er betonte das Vorhandensein apriorischer, von jeglicher Erfahrung unabhängiger logischer Gesetze und stellte das Psychische als Phänomen dem Physischen der Natur gegenüber. Er vertrat die Ansicht, daß die Aufgabe des Philosophen darin liege, das Wesen der Dinge zu betrachten, und zeigte, daß sich das Bewußtsein immer auf irgendetwas richtet. Das Bewußtsein enthalte ideale, unveränderliche Strukturen und Bedeutungen, die bestimmen, auf welche Sache sich der Geist zu irgendeiner gegebenen Zeit richtet. Dieses Gerichtetsein bezeichnete er als "Intentionalität". In seinem vermutlich einflußreichsten Werk, "Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie" (1913) führte er den Begriff der "phänomenologischen Reduktion" für seine Methode ein, über die Bedeutungen zu reflektieren, die der Geist in eine Sache legt, wenn er sie betrachtet. Die Frage nach der wirklichen Existenz der betrachteten Sache ist hierbei nicht von Interesse. Ebenso befaßte er sich mit der Analyse der geistigen Strukturen, die an der Wahrnehmung von Objekten beteiligt sind. Beispielsweise gab er eine detaillierte Beschreibung seiner Wahrnehmung des Apfelbaumes in seinem Garten. Nach Husserl ist Ziel und Zweck der Phänomenologie nicht die Entwicklung von Theorien, sondern die Beschreibung der Sachen selbst. Die Husserlsche Phänomenologie wirkte vielfach befruchtend auf die zeitgenössische Philosophie (vor allen auf die Philosophie seines Schülers Martin Heidegger) wie auch auf die Psychologie (Ludwig Binswanger, Alexander Pfänder). Auch Jean-Paul Sartre und der französische Existentialismus wurden durch ihn beeinflußt.
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