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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Interozeption

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

umfaßt die Aufnahme innerer, von Organen bzw. Organfunktionen ausgehender Reize, die u.a. von Mechano- und Druckrezeptoren, Thermorezeptoren, Chemorezeptoren, Schmerzrezeptoren (d.h. Enterorezeptoren innerer Organe und Propriorezeptoren der Lage- und Bewegungs-Kontrollsysteme) ausgehen (Sinne) und über die faserreichen Afferenzen des vegetativen und des motorischen Systems an das Gehirn vermittelt werden. Erst durch diese Afferenzen sind Homöostaseregulationen, Haltung, Bewegung und Funktionsanpassungen des Organismus möglich. Nur ein kleiner Ausschnitt dieser Afferenzen ist unter normalen Bedingungen als Interozeption körperlicher Veränderungen ("Wahrnehmung" von Körperprozessen) bewußtseinsfähig, doch beeinflußt die Interozeption wahrscheinlich das Befinden, die Stimmung und globale Gefühle körperlicher Spannung bzw. Entspannung, Frische bzw. Müdigkeit usw. Viele und auch schwere pathologische Funktionsstörungen bleiben dennoch bis in späte Stadien unbemerkt. Untersuchungen mit fortlaufender Messung des Blutdrucks ergaben z.B., daß auch Blutdrucksteigerungen subjektiv nicht erkannt werden; der Bluthochdruck ist, wie viele andere Leiden, eine stumme Krankheit. Die Mehrzahl der Menschen vermag noch nicht einmal die Herztätigkeit zu erkennen bzw. ihren Puls ohne Hilfsmethoden, nur interozeptiv, zu zählen.

In der Wahrnehmung von akutem und chronischem Schmerz bestehen oft große interindividuelle Differenzen. Divergenzen zeigen sich häufig zwischen Schmerzintensität und objektivem Befund. Untersuchungen haben gezeigt, daß Interozeptionen oft ungenau oder sogar falsch sind. Wie bei der Introspektion können auch bei der Interozeption körperlicher Vorgänge und Funktionsunregelmäßigkeiten verschiedene Verzerrungen der Informationsverarbeitung auftreten, u.a. durch Selektion, naive und implizite Konzepte bzw. Schemata und Kausaldeutungen. Die oft nur geringe Korrelation von chronischen körperlichen Beschwerden und körperlichem Befund bildet als Krankheitsverhalten ein praktisch außerordentlich wichtiges Thema der Gesundheitspsychologie und Rehabilitationspsychologie (Rehabilitation).

Literatur

Myrtek, M. (1998). Gesunde Kranke - kranke Gesunde: Psychophysiologie des Krankheitsverhaltens. Bern: Huber.


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