nächtliches Hochschrecken aus dem Schlaf, gekoppelt mit einem Zustand massiver Angst. Wie beim Somnambulismus (Schlafwandeln) handelt es sich hier um eine Parasomnie, die primär im Kindes- und Jugendalter auftritt. Der Pavor nocturnus tritt wie das Schlafwandeln in zeitlich enger Verknüpfung mit dem Tiefschlaf des ersten Nachtdrittels auf (Schlaf). Ebenso wie beim Somnambulismus wird für den Pavor nocturnus eine Störung des Arousal(Aufwach)-Prozesses beim Übergang vom Tiefschlaf zum Erwachen angenommen. Pavor nocturnus und Somnambulismus treten häufig gekoppelt auf. Patienten mit Pavor nocturnus und Somnambulismus weisen eine erhöhte familiäre Belastung für beide Störungen auf. Die Hypothese, daß der Pavor nocturnus die Funktion erfüllen soll, vergangene Traumata durch ein Wiedererleben unter Kontrolle zu bringen, wird aus bisher vorliegenden Untersuchungen nicht gestützt. Beim Pavor nocturnus können in der Regel keine Traumberichte wiedergegeben werden, die Symptomatik klingt mit dem Erwachen schnell ab, und am Morgen besteht meist Amnesie für die Episoden, was gegen eine psychologische Verursachung spricht. Beim Erwachen klingt zudem die initial vorhandene Angst sehr schnell ab, und die Betroffenen können sich in der Regel nur an ein diffuses Gefühl der Bedrohung erinnern. Am plausibelsten zur Erklärung des Pavor erscheint zur Zeit die Hypothese, daß eine Interaktion zwischen biologischen und psychologischen Faktoren vorliegt. Im Kindesalter besteht in der Regel keine Verknüpfung das Pavor nocturnus mit psychopathologischen Auffälligkeiten oder bestimmten Persönlichkeitscharakteristika, und die Episoden sistieren meist mit Eintritt der Pubertät. Häufig ergeben sich jedoch aufgrund übertriebener Besorgnis der Eltern um das Kind wegen der Pavorattacken sekundäre Probleme. Bei Erwachsenen mit häufigen Pavor nocturnus-Attacken bestehen oft zusätzliche psychopathologische Auffälligkeiten und ein Zusammenhang mit belastenden Lebensereignissen.
Die Episoden des Pavor nocturnus beginnen meist mit einem lauten, angstbesetzten Schrei und mit Anzeichen ausgeprägter Angst, die dem Beobachter den Eindruck starker Panik vermitteln. Der Gesichtsausdruck zeigt Angst, und es treten Anzeichen extremer autonomer Aktivierung, wie Pupillenerweiterung, Schwitzen, Gänsehaut, beschleunigte Atem- und Pulsfrequenz, auf. Zuspruch oder Trost bewirken in diesem Zustand meist keine Änderung, die Erregung legt sich in der Regel nach einigen Minuten von selbst.
Differentialdiagnostisch relevant ist die Abgrenzung des Pavor nocturnus von aus dem REM-Schlaf heraus auftretenden Alpträumen. Diese treten jedoch im Gegensatz zum Pavor fast ausschließlich im letzten Nachtdrittel auf, und der Betroffene ist in der Lage, ausführliche Traumberichte zu schildern. Die autonome Aktivierung der REM-Schlaf-Alpträume ist zudem weitaus geringer als beim Pavor. Andere differentialdiagnostisch relevante, abzugrenzende Krankheitsbilder stellen nächtliche Panikattacken, Angstzustände beim Schlaf-Apnoe-Syndrom und nächtliche Anfallsleiden dar.
Die Behandlung des Pavor nocturnus besteht bei seltenem Auftreten in einer Beruhigung der Eltern. Bei häufigem Auftreten sollte ein Anfallsleiden differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Ebenso muß dann eine ausführliche Beratung der Eltern über die Harmlosigkeit des Phänomens erfolgen. Flankierend können Maßnahmen, wie die Etablierung fester, regelmäßiger Schlafenszeiten, und evtl. auch das Wiederaufnehmen eines Mittagsschlafs empfohlen werden, um den Tiefschlafdruck am Abend zu reduzieren. Eine medikamentöse Behandlung sollte nur in Ausnahmefällen und kurzfristig erfolgen.
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