auch: Radikalismus, ist gekennzeichnet durch Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Werte, durch Zurückweisung des Pluralismus, durch einen rigiden Alleinvertretungsanspruch für politische Deutungsmuster (Dogmatismus). Extremismus beinhaltet vielfach auch Gewaltbereitschaft mit dem Ziel der unbedingten Durchsetzung eigener Auffassungen und ist nicht auf das Jugendalter beschränkt (Gewalt). Seine gewalttätigen Varianten sind sogar eher dem frühen Erwachsenenalter zuzuordnen. 3 bis 4 % der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren bezeichnen sich in verschiedenen aktuellen Umfragen als rechtsextrem und gewaltbereit. Erklärungsansätze für Extremismus:
a) Das weitverbreitete Ideologie-Modell postuliert, Rechts- und Linksextreme seien autoritätsorientiert und dogmatisch, neigten zu vorschnellen Schlußfolgerungen, wiesen ein geringes Niveau kognitiver Differenziertheit und begrifflicher Komplexität auf.
b) Sidanius vertritt als Gegenposition die Kontext-Hypothese: Es hänge vom Kontext ab, welcher Zusammenhang zwischen Differenziertheit und Radikalität besteht. Extremisten könnten kognitive Komplexität auf dem Gebiet aufweisen, in dem sie eine extreme Position vertreten. Wer nämlich keine klare Haltung habe, werde sich eher auf mittlere Positionen zurückziehen, weil er sich dort sicherer fühle. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß innerhalb radikaler Subkulturen Extremismus auch ohne kognitive Komplexität möglich ist. Radikale Mitläufer vertreten möglicherweise gerade deshalb "reine" extreme Positionen, weil sie nicht zu differenzierten Urteilen fähig sind.
c) Extremismus als soziales und gesellschaftliches Phänomen: Nicht ungünstige Lebensumstände als solche, sondern relative Deprivationen begünstigen Extremismus, d.h. Diskrepanzen der aktuellen Lebensqualität zu den als berechtigt angesehenen eigenen Ansprüchen. Nicht politische Skandale allein, sondern innere Widersprüche in der Gesellschaft, beispielsweise zwischen dem konservativen Anspruch auf geistig-moralische Erneuerung und dessen Versickerung in Partei- und Regierungsskandalen. Ein verletztes Gerechtigkeitsempfinden kann die Bereitschaft fördern, mit Gewalt eine ausgleichende Gerechtigkeit herbeiführen zu wollen.
d) Extremismus als zielorientiertes Handeln: Die eigenen Ziele geben die Richtung an, in die sich jemand engagiert. Ohne Ziele gibt es möglicherweise Anpassung, Mitläufertum, Aktionismus, aber kein eigenständiges Handeln. Ob Ziele allerdings in konstruktive oder in gewalttätige Handlungen umgesetzt werden, hängt auch davon ab, ob ein erfolgversprechendes Engagement möglich erscheint.
e) Extremismus als Entwicklungsphänomen: Ein ausreichendes Verständnis von politischen Strukturen und Prozessen ist eine notwendige Basis für politischen Extremismus nicht jedoch für unreflektierte Aktionen unter politischem Etikett. Deshalb ist das Jugendalter der früheste, nicht aber der einzige Zeitpunkt für extremistische Entwicklungen (Jugendpsychologie).
In welcher Form gesellschaftliche Bedingungen die Entstehung von Extremismus beeinflussen, hängt von individuellen Bewertungs- und Verarbeitungsprozessen ab. Der Einfluß individueller Merkmale wie kognitive Komplexität wird vom historischen Kontext mitgestaltet. Die Überwindung additiver oder gar monokausaler Erklärungsansätze erscheint zwingend notwendig. Extremismus und konstruktive politische Partizipation entwickeln und verändern sich in einem komplexen und interaktiven Zusammenspiel gesellschaftlicher Bedingungen, konkreter sozialer Gruppen und individueller Merkmale und Motive.
Literatur
Preiser, S. (2001). Jugend und Politik. Anpassung Partizipation Extremismus. In R. Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (5. Aufl.). Weinheim: Beltz.
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