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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Säuglingsforschungs-Methoden

Autor
Autor:
Sonja Margarethe Amstetter

neue experimentalpsychologische Untersuchungsmethoden, die zum Teil überraschende Einblicke in das frühkindliche Denken erlauben (Säuglingsforschung).

Verhaltensbeobachtung: Lange Zeit basierten alle wesentlichen Einsichten über die frühkindliche Entwicklung ausschließlich auf schriftlichen Protokollen über die Aktivitäten von Säuglingen unter natürlichen Bedingungen. Inzwischen wurden die Möglichkeiten der Generierung von Verhaltensdaten entscheidend verbessert. So kann man selbst Föten im Mutterleib mit Ultraschall beobachten und ihre Reaktionen auf bestimmte Außenreize oder Zustände der Mutter systematisch analysieren. Es stehen standardisierte Ratingverfahren zur Verfügung, die Maße für die motorische Reaktionsfähigkeit des Kindes, seine Aufmerksamkeitsleistung, die Wahrnehmung und Sinneskoordination, Temperamentseigenschaften oder/und soziale Responsivität enthalten. Schließlich bieten die moderne Videotechnik und zugehörige Auswertungsprogramme umfangreiche Möglichkeiten zur systematischen Erfassung von kindlichem Verhalten.

Saugpräferenzmethode: Zur Untersuchung von Wahrnehmungspräferenzen Neugeborener steckt man dem Kind einen speziell präparierten Schnuller in den Mund, über den zunächst die spontane Saugfrequenz erfaßt wird (Basisrate). Anschließend lernt das Kind, durch die Steigerung oder Reduzierung seiner Saugfrequenz bestimmte Reize “herbeizusaugen.” Aus seinem Saugverhalten kann man schließen, ob es zwei Reize unterscheiden kann, und wenn ja, welchen von beiden es bevorzugt.

Blickpräferenzmethode: Die Methode erfaßt spontane Bevorzugungen für bestimmtes visuelles Material. Dem Kind werden in der Regel zwei Abbildungen gleichzeitig präsentiert, und man mißt, welche spontan länger angeschaut wird.

Habituations- Dishabituationsparadigma: Säuglinge verlieren ihr Interesse an einem bestimmten Reiz, wenn sie ihm länger oder häufiger ausgesetzt sind. Präsentiert man anschließend einen neuen Reiz, löst dieser eine Orientierungsreaktion aus. Dies wird genutzt, um die frühkindliche Fähigkeit zur Reizdiskrimination und Kategorienbildung zu untersuchen. Geht es um die Kategorienbildung, so bietet man im Rahmen der Habituationsphase unterschiedliche Exemplare derselben Kategorie dar, bevor in der Testphase ein Exemplar der kontrastierten Kategorie präsentiert wird.

Erwartungsverletzungsparadigma: Um frühkindlichen Vorstellungen über dynamische Ereignisse und kausale Zusammenhänge zu analysieren, wird dem Kind wiederholt ein bestimmter Vorgang gezeigt, der mit den Gesetzen der physikalischen oder der psychologischen Kausalität konform ist. Anschließend sieht das Kind abwechselnd a) ein neues konformes Ereignis und b) ein unmögliches Ereignis. Bevorzugt es den Anblick des unmöglichen Ereignisses, wird auf korrekte physikalische bzw. psychologische Vorstellungen geschlossen. Beide Testdisplays müssen dabei unter Kontrollbedingungen (ohne vorherige Habituation) gleichermaßen interessant sein.

Konditionierte Kopf-Dreh-Reaktionen (Head-Turn-Paradigma): Zur Untersuchung von visuellen oder akustischen Reizen werden Kinder zunächst trainiert, zwei Reizarten zu unterscheiden, indem sie jedesmal, wenn eine Reizart dargeboten wird, den Kopf zur linken Seite drehen sollen, um eine Belohnung zu erhalten, und jedesmal, wenn eine andere Reizart dargeboten wird, zur rechten Seite. Nach Erreichen eines zuvor festgelegten Lernkriteriums werden den Kindern Test-Exemplare präsentiert, die neu und in aller Regel schwerer zu klassifizieren sind als alle zuvor gezeigten. Über die Kopf-Dreh-Bewegung in der Testphase, in der das Kind grundsätzlich keine Belohnung erhält, läßt sich erschließen, welcher Klasse das Kind die Testexemplare zuordnet.

Elektrophysiologische Methode: Zur Untersuchung von kognitiven Prozessen im Säuglingsalter setzt man seit kurzem dem Kind eine “Mütze” mit Elektroden auf den Kopf und präsentiert ihm Reize unterschiedlicher Art, um zu überprüfen, ob diese im Gehirn unterschiedliche Aktivierungsmuster erzeugen. Auch Dishabituationsreaktionen nach vorheriger Habituation können auf diese Weise gemessen werden.


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