Anorgasmie, Unfähigkeit, einen Orgasmus zu erleben; zählt zu den sexuellen Funktionsstörungen und den häufigsten Beeinträchtigungen der menschlichen Sexualität. Zumindest temporär sind ein Drittel bis die Hälfte aller Menschen von sexuellen Funktionsstörungen betroffen. In der Ätiologie spielen zum einen körperliche (biophysische) Faktoren eine Rolle: Erkrankungen (Diabetes, Herzinfarkt), hormonelle Störungen, genitale Mißbildungen, spezielle gynäkologische (z.B. Endometriose) und urologische (Prostatakarzinom) Erkankungen, Rückenmarksverletzungen, affektive Störungen, Alkohol, Medikamente, hohe Anspannung. Psychische Ursachen werden differenziert in individuelle und partnerbezogene, wobei generell davon ausgegangen wird, daß sie Ausdruck von Konflikten sind. Im einzelnen sind zu nennen: psychische und/oder physische Traumata, Ablehnung der eigenen sexuellen Identität, Ablehnung des Partners, sexuelle Ängste, die häufig durch Lernprozesse und -mechanismen (v.a. durch Selbstverstärkungsmechanismen) aufrechterhalten werden. Für die Entstehung funktioneller Orgasmusstörungen sind fast immer auch ein informationsarmes Erziehungsmilieu, rigide und durchwegs negative Ermahnungen seitens der Eltern oder anderer Autoritätspersonen mitverantwortlich.
Zu Versuchen, das Problem zu lösen, zählen intensive Phantasietätigkeit, der Gebrauch eines Vibrators, ein längeres "Vorspiel", Autostimulation beim Koitus, Kommunikation mit dem Partner. Sind Problemlöseveruche nicht erfolgreich, kommt es häufig zu einem Verlust des sexuellen Interesses, zur Vermeidung sexueller Aktivitäten oder zur Aktivität nur dem Partner zuliebe.
Literatur
Hoyndorf, S., Reinhold, M. & Christmann, F. (1995). Behandlung sexueller Störungen. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
Kockott, G. (Hrsg.). (1977). Sexuelle Störungen. Verhaltensanalyse und -modifikation. München: Urban & Schwarzenberg.
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