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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Orgasmus

Autor
Autor:
Manuela Bartheim-Rixen

von griechisch organ schwellen, strotzen; der Höhepunkt der sexuellen Erregung, der auch »Klimax« genannt wird. Im Orgasmus entlädt sich die Spannung, die durch sexuelle Reize aufgebaut worden ist, in unwillkürlichen Reaktionen von Nerven, Muskeln und Gefäßen. Diese explosive Entladung ist nicht auf die Geschlechtsorgane beschränkt, sondern erfaßt den ganzen Körper und löst zugleich Gemütsbewegungen aus, die sich in Stöhnen, Schreien, Weinen oder Beißen und Krallen äußern. Während dieser Klimax, also auf der höchsten Erregungs-Stufe, ist das Bewußtsein getrübt, die Wahrnehmungsfähigkeit für Sinneseindrücke stark herabgesetzt. Selbst Schmerzen werden kaum empfunden. Man ist gleichsam »außer sich«: der sexuelle Orgasmus ist das Vorbild jeder Ekstase. Beim Manne geht der Orgasmus mit der Ejakulation (Ausstoßung) seines Samens einher, obwohl es zur Ejakulation ausnahmsweise auch ohne Lustgefühle kommen kann. Bei der Frau ist der Orgasmus weniger deutlich abgegrenzt. Mehrere kleine Orgasmen können nahezu unmerklich ineinander übergehen; man spricht von »multiplem Orgasmus«. Dagegen braucht der Mann nach dem Orgasmus eine längere Pause, ehe er wieder potent ist. In diesem Unterschied wurzeln manche Befürchtungen des Mannes vor der »unersättlichen« Frau und manche Sorgen über die Grenzen seiner Manneskraft. Für seine Fortpflanzungsfunktion ist der Orgasmus im allgemeinen unentbehrlich, während die Frau auch ohne jede Erregung empfangen kann. Viele Frauen haben noch nach längerer Ehe und trotz häufigen Geschlechtsverkehrs niemals einen Orgasmus erfahren. Einst hielt man die anständige Frau sogar der Wollust für unfähig. Aus einer solchen Tradition stammen die Hemmungen, die einen Orgasmus verhindern. Kinsey wies darauf hin, daß viele Frauen erst um das 30. Lebensjahr einen Orgasmus erfahren; erst dann sind ihre anerzogenen Hemmungen abgebaut. Im allgemeinen steigt die Erregungskurve der Frau langsamer an und schwingt auch allmählicher aus als beim Manne. Diesen Unterschied können Liebes-Vorspiel und -Nachspiel überbrücken. Aber hier wirken sehr viele individuelle Momente und auch die inneren und äußeren Bedingungen der jeweiligen Geschlechtsbegegnung mit, sodaß der Verlauf der Erregung immer wieder anders aussieht. Die vollkommene Harmonie eines Paares scheint erreicht, wenn die Erregungskurve parallel verläuft und der Orgasmus gleichzeitig (simultan) verläuft. Aber Bemühungen, diese Gleichzeitigkeit zu sichern, können durch verkrampfte Aufmerksamkeit ins Gegenteil umschlagen und zu einem Gefühl des Versagens führen. Teilweise ist aus dem Glück des Orgasmus heute so etwas wie eine Pflicht zum Leistungsbeweis geworden. Damit stellt man nun auch die Sexualität unter das moderne Gesetz des Streß. Dabei wird über der körperlichen, physiologischen Leistung ihre seelische Bedingtheit verkannt. So mag es zu einem Orgasmus kommen, dem die innere Befriedigung fehlt, oder auf den ein Gefühl der traurigen Leere folgt. Darin zeigt sich, daß man nicht »mit dem Herzen dabei war«. Die Hemmungen haben zwar nicht die Entladung, wohl aber das Glücksgefühl verhindert. Der Begriff der »Befriedigung« weist darauf hin, daß es über den Orgasmus hinaus noch ein Ziel gibt – das der gemeinsamen Wunschlosigkeit und des Friedens. Der Orgasmus ist andererseits nicht an die Geschlechtsvereinigung ge bunden. Er kann sich geradeso in homosexuellen Beziehungen, nach intensiver Liebkosung (Petting), bei einer Selbstbefriedigung oder manchmal sogar nur dank der Einbildungskraft ereignen. Sein Höhepunkt ist jedoch nur einer unter vielen Aspekten der Erotik und Liebe.Sexueller Höhepunkt, eine willkürlich nicht mehr steuerbare Entladung körperlich-seelischer Spannung. Sein psychisches Merkmal ist die größte Intensität sexueller Lust, seine körperlichen Anzeichen sind Muskelzusammenziehungen in der Zone der Geschlechtsorgane und im After, starke Blutansammlung im Becken, vor allem in Scheide und Glied, vorübergehender (teilweiser) Verlust der Sinneswahrnehmung und der räumlichzeitlichen Orientierung, Ausstoßung (Ejakulation) der Samenflüssigkeit beim Mann, Zusammenziehung des verengten unteren Scheidendrittels bei der Frau (Pulsationen). Abgesehen von der Ejakulation sind sich die orgastischen Reaktionen von Mann und Frau recht ähnlich, doch scheinen Frauen häufiger durch einen wiederholten Orgasmus befriedigt zu sein als Männer. Obwohl Männer nach Umfrage-Ergebnissen (Kinsey-Report und andere) öfter und regelmäßiger einen Orgasmus erleben als Frauen, scheinen die orgastischen Möglichkeiten der Frau größer: Sie kann gleich nach einem Orgasmus einen zweiten erleben, der Mann nicht.

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