gewinnt zunehmendes Interesse der Arbeits-und Organisationspsychologie. In der Bundesrepubik arbeiten über 60% aller Beschäftigten im Dienstleistungsbereich. Trotz dieser enormen ökonomischen Bedeutung wurde bislang keine allgemein akzeptierte Definition für Dienstleistungen entwickelt. Die Wirtschaftswissenschaften haben lediglich Merkmale verdeutlicht, in denen sich der Dienstleistungs- vom Produktionsbereich unterscheidet. Der wichtigste Unterschied liegt in der Intangibilität: Dienstleistungen sind ein abstraktes, materiell nicht greifbares Gut. Zwar können materielle Güter in unterschiedlichem Ausmaß in die Dienstleistung integriert werden (z.B. die Füllungen, die ein Zahnarzt anbringt), die eigentliche Leistung besteht aber in den Handlungen des Dienstleisters. Psychologisch ist aber entscheidend, daß es sich bei der von Dienstleistern verrichteten Tätigkeit um Versuche handelt, die Probleme der Bedienten zu lösen. Von besonderer Bedeutung sind Dienstleistungen, die zur Lösung der Probleme einen direkten, persönlichen Kontakt zwischen Dienstleister und Bedienten erfordern. Das ist bei allen direkt personbezogenen Dienstleistungen der Fall, bei denen Dienstleister unmittelbar auf die Person des Bedienten einwirken (z.B. Haareschneiden, Massieren, medizinisch-körperliche Untersuchung, Pflege von Kranken oder Beratung von Klienten). Aber auch Tätigkeiten aus dem Bereich indirekt personbezogener Dienstleistungen stellen solche Anforderungen: Die Aufgabe der Dienstleister besteht darin, bereits produzierte Leistungen/Güter zu verkaufen, die Nutzung solcher Leistungen/Güter zu vermitteln oder selbst Leistungen an einem Objekt zu erbringen, das den Bedienten gehört.
Die Tätigkeit des Dienste-Leistens erfordert funktionale und soziale Kompetenz. Die Lösung der Probleme der Kunden bedarf funktionaler Kompetenz, z.B. das Wissen des Kundenberaters einer Bank über Kreditbedingungen, die diagnostischen und therapeutischen Fähigkeiten einer Psychologin etc. Da aber die Problemlösung in Interaktion mit den Kunden erfolgt, müssen Dienstleister auch über soziale Kompetenzen verfügen. Diese umfassen u.a. die Diagnose der Bedürfnisse des Kunden, die Kontrolle der Interaktion, die Fähigkeit, Vertrauen zu gewinnen, allgemein: die Fähigkeit, im Kunden Gefühle hervorzurufen, die der Situation angemessen sind. Zu diesem Zweck müssen Dienstleister gewöhnlich positive soziale Gefühle darstellen und unangemessene Gefühle unterdrücken. Der Ausdruck von Gefühlen unterliegt situativen Normen oder Regeln, sogenannten Darstellungsregeln, die bestimmte Dienstleistungen charakterisieren und zum Teil von den Unternehmen definiert werden. Die Regulation der Gefühle und die Steuerung des Gefühlsausdrucks im Dienste der Arbeitstätigkeit wird als Gefühlsarbeit bezeichnet. Wenn die dargestellten und die erlebten Gefühle nicht übereinstimmen, entsteht emotionale Dissonanz. Neuere Untersuchungen belegen, daß emotionale Dissonanz im Rahmen von Dienstleistungen zu Streß und Burnout führen kann. Erfolgreiche Gefühlsarbeit kann aber auch zur Steigerung des Selbstwertgefühls von Dienstleistern beitragen.
Literatur
Hochschild, A. R. (1983). The managed heart: Commercialization of human feeling. Berkeley, CA: University Press.
Nerdinger, F. W. (1994). Zur Psychologie der Dienstleistung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Rafaeli, A. & Sutton, R. I. (1989). The Expression of Emotion in Organizational Life. Research in Organizational Behavior, 11, 1-42.
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