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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

emotionale Entwicklung

Autor
Autor:
Irene Roubicek-Solms

Entwicklung von Emotionen bis zum Erwachsenenalter, ist unterteilbar in zwei Stränge: in einen intrapsychischen und einen interpersonalen Strang. Im intrapsychischen Strang lassen sich jene Entwicklungen im einzelnen Kind verorten, die vielfältig mit anderen bisher ebenfalls vor allem individuell konzeptualisierten Entwicklungen verschränkt sind, wie etwa der neurologischen, motorischen, kognitiven oder moralischen Entwicklung (Psychomotorik, Kognition, Werte). Meilensteine der intrapsychischen emotionalen Entwicklung im Säuglingsalter sind:

1) die Ausdifferenzierung verschiedener Emotionsausdrücke mit etwa 2 Monaten;

2) der Beginn des Aufbaus von emotionsrelevanten Bewertungen und Erwartungen zwischen 2 und etwa 8 Monaten sowie

3) der Anfang der Zurückhaltung impulsiven Verhaltens in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres.

Mit dem Spracherwerb können zunächst diffus erlebte Gefühlszustände zunehmend besser benannt, erinnert und mit anderen geteilt werden. Im Kleinkindalter fängt der Erwerb von (verbalen) Emotionsschemata an, werden also regelhafte Abfolgen von "antezedenten Bedingungen - Emotion - Konsequenzen" gelernt, die es Kindern schon ab ihrem dritten Geburtstag ermöglichen, sich das emotionale Erleben anderer Menschen zu erschließen, auch wenn es von ihrem eigenen abweicht. Dieser Prozeß wurde emotionale Perspektivenübernahme genannt. Ab etwa drei Jahren sind Kinder ebenfalls imstande, Freude vorzutäuschen, ein bis zwei Jahre später können sie alle Grundgefühle außer Ärger und Angst ebenso überzeugend auf ihren Gesichtern darstellen wie Erwachsene. In der Vorschulzeit wächst ferner das Verständnis für Situationen, in denen das emotionale Ausdrucksverhalten vom Erleben abweicht. Obwohl affektives Unbehagen bei Regelübertretungen schon ab dem zweiten Geburtstag zu beobachten ist, sind Schuldgefühle, Scham und Reue erst im Schulalter soweit ausgeprägt, daß sie einen möglichen Nutzen der Regelübertretung (z.B. beim Schummeln) überschatten. Im Grundschulalter werden die Konzepte komplexer Emotionen, wie etwa Schuld, Scham oder Neid, immer differenzierter. Ab dem Jugendalter können antizipatorisch Schuldgefühle empfunden werden. In der mittleren Kindheit bevorzugen Kinder zunehmend mentalistische Strategien zur Emotionsregulierung, etwa Distanzierung zur Regulierung ihres Ärgers, die dann bis zum Erwachsenenalter wieder abnehmen.

Der interpersonale Strang der emotionalen Entwicklung geht davon aus, daß Kinder seit ihrer Geburt mit anderen Menschen zusammenleben und in den Beziehungen zu diesen Bezugspersonen die meisten Emotionen erleben, ausdrücken und bewältigen. Die Qualität dieser zwischenmenschlichen Beziehungen, wie etwa die Bindungsqualität (Bindung) oder die Qualität von Geschwister- oder Peer-Beziehungen wird damit zu einem wichtigen Einflußfaktor auf interindividuelle Unterschiede in der emotionalen Entwicklung. Welche Emotionskomponenten in welchen Entwicklungsabschnitten durch welche interpersonalen Prozessen beeinflußt werden, zeigt die Abb.

Literatur

Salisch, M.v. (1999). Wenn Kinder sich ärgern. Zur Emotionsregulierung in der Entwicklung. Göttingen: Hogrefe.

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