Wir sprechen vom «untrüglichen Instinkt», der zum Beispiel Zugvögel dazu führt, ihr Ziel zu erreichen, oder Bienen anleitet, ihre Waben zu bauen. Wir sprechen von instinktiver Abneigung oder instinktiver Furcht, wenn wir selbst ein Erleben oder Verhalten zeigen, das uns unwillkürlich erscheint und ohne unser Zutun sofort auftritt, ehe wir die bewußte Überlegung einschalten können. «Instinkt» als Hauptwort wird für ein Verhalten von Tieren verwendet, das zweckmäßig ist, relativ starr und unveränderlich abläuft (man wird Bienen durch keine Dressur dazu bringen, viereckige Waben zu bauen) und offenbar nicht eigens erlernt werden muß. «Instinktiv» nennt man menschliche Handlungen, die als spontane Reaktionen rasch und unüberlegt ablaufen. Der Instinkt bei Tieren. Nicht nur körperliche Eigentümlichkeiten, sondern auch geordnete Abläufe von Verhaltensweisen, die durch eine vom Gehirn aufgebaute Erregung herbeigeführt werden, dienen der Anpassung eines Tieres an die Umwelt. Sie werden deshalb von den «Baumeistern» der Artentwicklung (Evolution), der Mutation (Veränderung von Erbanlagen) und Selektion (Auslese von Tieren) gestaltet. Im typischen Fall eines Instinkts kann man beobachten, daß ein Tier von innen heraus in Unruhe gerät, dazu neigt, bestimmte Situationen zu suchen («Appetenzverhalten») und, wenn es sie gefunden hat (zum Beispiel eine Nistgelegenheit), ganz typische Verhaltensabläufe zu zeigen, die man «Instinktreaktionen» nennt. Solche vorgegebenen Abläufe im tierischen Nervensystem steuern einen sehr großen Anteil des Verhaltens von Insekten, aber auch von niederen Wirbeltieren (Lurche, Fische, Vögel). Bei den Säugetieren spielen bereits Lernvorgänge eine sehr viel wichtigere Rolle. Doch ist der Einfluß der Instinkte nach wie vor sehr mächtig (so bei jahreszeitlichen Abläufen des sexuellen Verhaltens). Lernen ist möglich und bei manchen Arten auch sehr wichtig, doch wird das Gelernte in ein bestehendes, festes Gerüst von Instinktvorgängen eingebettet.
Menschliche «Instinkte»? Auch beim Menschen gibt es Bedürfnisse, die nicht durch Lernen erworben werden. Sie sind, in den Zusammenhängen der Entwicklung betrachtet, die Nachfolger der tierischen Instinkte. Doch führen sie, abgesehen von Ausnahmen im Säuglingsalter, in der Regel nicht zu Instinkthandlungen, also starren Bewegungsabläufen, sondern zu einem inneren Zustand der Bedürftigkeit, der nun mit weitgehend von Lernen gestalteten Mitteln behoben wird. An die Stelle der von Instinkten vorgegebenen Ordnung der Lernvorgänge tritt eine gesellschaftliche Ordnung; damit hängt zusammen, daß der Mensch sich nicht an eine vorgegebene Natur anpassen, sondern lernen muß, sich in eine kulturell gestaltete Umwelt zu fügen und diese weiterzuentwik-keln. Man kann somit die Triebe als Entsprechung der Instinkte auffassen und als Unterscheidung festhalten, daß ein Trieb eine Forderung des Körpers an ein aus ererbten und erworbenen Teilen bestehendes Steuerungssystem (das Ich) darstellt. Einsicht, Intelligenz.
Zusammenfassung. Zwischen Instinkt- und Trieb-Begriff wird oft, vor allem im amerikanischen Schrifttum, nicht genau unterschieden; das deutsche Wort Trieb wird abwechselnd mit instinet oder mit drive übersetzt, und in Rückübersetzungen kommt es zu weiterer Verwirrung. Beide Begriffe sind nur Vorstufen einer wirklichen Klärung, da sie keine Vorstellung über die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten vermitteln. Es ist wenig gewonnen, die Orientierung der Zugvögel oder das Zusammenleben in einem Ameisenstaat durch «Instinkte» zu erklären, solange nicht die beteiligten Kräfte genauer erforscht werden: zum Beispiel die Steuerung durch Hormone oder die Fähigkeit, Magnetfelder wahrzunehmen bei den Vögeln, die Steuerung durch Gcruchstoffe (Pheromone) bei den Ameisen.
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