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Psychologielexikon

Überarbeitete Ausgabe

Psychologielexikon

Signal-Entdeckungs-Theorie

Autor
Autor:
Katharina Weinberger

Abk. SDT (signal detection theory), allgemeines Modell der Entscheidungsbildung; häufig eingesetzte Methode zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit von Sinnesorganen (z.B. bei Schwellenmessungen). Bei vielen Methoden der Schwellenmessung besteht das Problem, daß der Prozeß der Entdeckung und Entscheidung darüber, ob ein Reiz wahrgenommen wurde oder nicht, mit der tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Sinnesorgans weniger zu tun hat, sondern von Urteilsaspekten, z.B. der Motivationslage, abhängt (Reaktionsneigung oder bias). Mit Hilfe der SDT lassen sich die tatsächliche Sinnesleistung und die Urteilsaspekte voneinander trennen. Häufige Anwendung findet die SDT bei akustischen Experimenten. Im einfachsten Paradigma, dem ja-nein-Experiment, wird einem Probanden in jedem Versuchsdurchgang (trial) zufällig entweder Rauschen (noise = N) oder Rauschen zusammen mit einem schwachen Reiz (signal + noise = SN) geboten. Der Proband entscheidet daraufhin, ob er das Signal gehört hat (Reaktion ja) bzw. ob er das Signal nicht gehört hat (Reaktion nein). Nach mehreren Versuchsdurchgängen können die Proportionen für richtig erkannte Signale (Treffer), richtig erkanntes Rauschen (korrekte Zurückweisung), irrtümlich als Signal deklariertes Rauschen (falscher Alarm) und irrtümlich als Rauschen deklarierte Signale (Verpasser) bestimmt werden (Abb.1).

Das psychophysische Modell, das der SDT unterliegt, geht von einem sensorischen Kontinuum (bzw. einer Entscheidungsachse) aus. Darauf können die Verteilungen von N und SN angetragen werden. Eine Überlappung der beiden Dichten bedeutet, daß der Proband die Ereignisse S bzw. SN nicht klar trennen kann. Der Abstand der Mittelwerte ?S und ?SN beider Verteilungen ist der Index für die Leistungsfähigkeit des Probanden, zwischen S und SN zu unterscheiden (d’).

Es wird nun angenommen, daß der Proband, um zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, ob nun S oder SN geboten wurde, die beiden Wahrscheinlichkeitsdichten (Verteilung) zueinander ins Verhältnis setzt, d.h. die sog. likelihood ratio bildet. Zum kritischen Wert der likelihood ratio gehört der kritische Wert des Kriteriums (xc). Dieses Kriterium ist bei allen Menschen verschieden und kann zudem experimentell beeinflußt werden. Je nach den Konsequenzen, die Treffern oder falschem Alarm folgen, werden unterschiedliche Antwortstrategien bzw. wird ein unterschiedliches Kriterium angelegt. Durch experimentelle Variation der Untersuchungsbedingungen kann man die Antwortstrategien von Versuchspersonen, d.h., das Verhältnis zwischen Treffern und falschem Alarm beeinflussen (ROC-Kurve). Unterschieden werden drei Strategien; liberal: die Versuchsperson antwortet sehr häufig mit der Anwort “Reiz” und produziert dabei auch viel falschen Alarm; neutral: die Versuchsperson produziert wenig falschen Alarm; oder konservativ: die Versuchsperson produziert nahezu keinen falschen Alarm. Das Verhältnis der likelihood ratio an der Stelle xc ist als Urteilsaspekt (?) definiert .

Das inferenzstatistische Vorgehen beim Annehmen bzw. Ablehnen einer Hypthese erfolgt analog der SDT (Signifikanztests). Dem Fehler erster Art entspricht der falsche Alarm der SDT, die Teststärke entspricht der Wahrscheinlichkeit des Treffers in der SDT. Die SDT kann auf eine Vielzahl von Fragestellungen angewendet werden, die Entscheidungen beinhalten, z.B. zur Bestimmung der Diskriminationsfähigkeit jeder Art von (überschwelligen) Sinneseindrücken (Psychophysik, Wahrnehmung) oder zur Bestimmung der klinischen Urteilsfähigkeit von Diagnostikern (Diagnostik).

Literatur

Goldstein, E. B. (1997). Wahrnehmungspsychologie. Eine Einführung. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.

Velden, M. (1982). Die Signalentdeckungstheorie in der Psychologie. Stuttgart: Kohlhammer.

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