Teilgebiet der Entwicklungspsychologie, das sich mit den Forschungsbereichen Sprache, Sprachentwicklung und Sprachstörungen vor allen Dingen im frühen Kindesalter beschäftigt, aber auch den weiteren Verlauf bis hin zum Alter betrachtet. In jüngster Zeit ist durch empirische Untersuchungen der frühe Beginn der rezeptiven Sprachentwicklung deutlich geworden. Das Gefühl für sprachliches Material entwickelt sich bereits ab der 4. Woche nach der Zeugung. Sprachliche Reize (z.B. von der Mutter vorgelesene Geschichten) vor der Geburt zeigen nach der Geburt, auch wenn sie z.B. von einer anderen Frau vorgelesen werden, Wirkung z.B. in Form veränderten Saugverhaltens des Kindes. Das Kind reagiert in den ersten Tagen nach der Geburt deutlich auf Veränderungen ihm bekannter sprachlicher Schemata. Der sog. Magneteffekt (Bevorzugung der Phoneme der Muttersprache) etabliert sich zwischen dem 6. und 9. Lebensmonat. Während das Kind zunächst sehr viele unterschiedliche Phoneme wahrnehmen und differenzieren konnte, wird sein Spielraum nunmehr mehr auf die Phoneme der Muttersprache und deren Organisation eingeengt. In dieser Zeit erworbene Wahrnehmungsschwächen wie z.B. die Differenzierungsprobleme von Japanern bei der Unterscheidung von r und l können später durch Trainings nur noch mit Mühe und mit begrenztem Erfolg revidiert werden. Die prosodischen Züge der mütterlichen Sprache mit Kindern (motherese) sind weltweit ähnlich, finden sich aber auch bei Vätern und bei Taubstummensprache verwendenden Müttern. Die Lautentwicklung beginnt mit labialen Konsonanten und dem Vokal a. Die ersten Wörter tauchen zwischen 0;9 und 1;6 auf. Die Syntaxentwicklung beginnt mit dem holophrastischen Stadium (ein Wort für einen ganzen Satz), setzt sich über das Zweiwortstadium fort, geht über Relationen, die sich auf Handlungen beziehen, schließlich über zum Zustand von Objekten. Bei der Interpretation von Sätzen dominiert zunächst das Weltwissen des Kindes über die Syntax. So wird der Satz der Knochen gibt dem Hund den Mann bevorzugt richtig als der Mann gibt dem Hund den Knochen analysiert. Die sog. Pivot-Grammatik geht von einer allen Kindern gemeinsamen Kindergrammatik aus, in der Angelwörter (pivots) und X-Wörter kombiniert werden. Ein Angelwort wäre z.B. ata ata, X-Wörter Hansi, Ball usw. Bezeichnend an der Pivot-Grammatik soll nach Braine (1963) sein, daß X-Wörter untereinander, Pivot-Wörter und X-Wörter, aber nie Pivot-Wörter untereinander kombiniert werden können. Die frühe Auswirkung unterschiedlicher sprachlicher Grammatiken und die Möglichkeit, in einzelnen Fällen X-Wörter zu kombinieren (z.B. auch haben) stellen die Gültigkeit dieser Vorstellungen in Frage. Bedeutende Sprachentwicklungstheorien sind behavioristische, kognitive, interaktionistische, nativistische und Verarbeitungsansätze. Behavioristische Ansätze sehen Sprache als über klassische oder operante Konditionierung oder Lernen am Modell gelernte Fähigkeiten. Bei den kognitiven Ansätzen unterliegt Sprache allgemeinen Entwicklungsprinzipien, denen z.B. Denkvorgänge in der Piagetschen Theorie auch unterliegen. Die Interaktionsansätze führen die Sprachentwicklung auf interaktionelle und situative Aspekte zurück. Die nativistischen Ansätze (Chomsky 1970) vermuten, daß Kindern Vorstellungen über alle Sprachen und alle Phoneme, die menschliche Sprachen auszeichnen, angeboren sind. Ein Lernsystem (Language-Aquisition-Device, LAD) sucht diejenigen Elemente aus, die für die Muttersprache benötigt werden. Bei den Verarbeitungsansätzen erklären sich Charakteristika von Sprachen aus Charakteristika der Perzeption, der Verarbeitung im Gedächtnis, des Verarbeitungssystems usw. Im höheren Alter ergeben sich z.B. Veränderungen der Konnotation von Begriffen. Durch ein Nachlassen inhibitorischer Prozesse können sich ferner eine Verringerung der Wirkung von Distraktoren (ablenkenden Reizen) und Schwierigkeiten bei der Beherrschung selektiver Aufmerksamkeitsaufgaben ergeben.
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